Wie regiert Schwarz-Rot im Bereich der Bildung?

Teil 6 dieser Reihe.

Im Herbst 2024 eskalierte ein seit dem Sommer schwelender Streit zwischen den Koalitionspartnern um die Ausrichtung der Landeszentrale für politische Bildung. Es zeichnete sich ab, dass die CDU die bisherige Ausrichtung nicht unterstützt, dass sie aber im Kuratorium der Landeszentrale keine Mehrheit für die von ihr gewünschte Neuausrichtung findet. SPD, Grüne und DIE LINKE wollten einen geänderten Kurs nicht mittragen.

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die CDU einen Fokus auf Institutionenkunde befürwortet, während die SPD, DIE LINKE und Bündnisgrüne den bisherigen Mix, der auch gesellschaftspolitischen Fragestellungen viel Raum bietet, beibehalten möchten.

Im Herbst wurde bekannt, dass die Bildungssenatorin und ihre Staatssekretär:innen eine Stabstelle in der Bildungsverwaltung einrichten wollen, mit der die Landeszentrale unter Anderem ihr Programm, ihre Materialien und ihre Trägerauswahl abstimmen solle. Zudem solle diese Stabstelle auch anderen Bereichen der politischen Bildung übergeordnet werden, beispielsweise der schulischen Demokratiebildung.

Vertreter:innen der Zivilgesellschaft, aber auch der Opposition, sahen hierin den Versuch, parteipolitischen Einfluss auf die Bildungsarbeit der Landeszentrale zu nehmen (ich berichtete ausführlich von der diesbezüglichen Debatte).

Bildungssenatorin Günther-Wünsch (CDU) erklärte im Plenum des Abgeordnetenhauses

„Es geht hier um Steuerung und Koordination und ja: auch um Kontrolle […] im Sinne der Nutzerinnen der Landeszentrale und ja, auch des Steuerzahlers, was mit dessen Geldern passiert. Es geht um die Zusammenführung bisher getrennter Arbeitsbereiche, nicht nur der Landeszentrale für politische Bildung […]. Nicht nur die Landeszentrale für politische Bildung versammelt sich unter dieser Stabstelle, sondern es geht auch um bessere Abstimmung und Koordination bei gleichzeitiger Reduzierung von Parallelstrukturen.“

Katharina Günther-Wünsch, Bildungssenatorin (CDU) (Link)

Ihr Staatssekretär Falko Liecke (ebenfalls CDU), der auch vorher schon für ein robustes Auftreten bekannt war, hatte bereits Wochen zuvor öffentlich erklärt, künftig persönlich Einfluss darauf nehmen zu wollen, wer im Bereich der politischen Bildungsarbeit gefördert wird und wer nicht.

Er sprach von einem „Förderdickicht“, das „aufgeklärt“ gehöre. „Wir müssen die Strukturen so organisieren, dass sie wirksamer werden“, erklärte Liecke und kündigte an, bei der Bewertung von Trägern künftig auch den Verfassungsschutz hinzuziehen zu wollen (Link).

Die Bildungspolitische Sprecherin der SPD, Maja Lasic, die ebenfalls Mitglied im Kuratorium der Landeszentrale ist, ging im Parlament auf deutlichen Abstand zu den Plänen des Koalitionspartners:

„Es geht um das filigrane Zusammenspiel zwischen politischer Bildung und den politischen Akteuren demokratischer Parteien. Was heißt das praktisch? Praktisch heißt das, dass wir Orte geschaffen haben, in denen wir um die Unabhängigkeit und überparteilichkeit unserer Institutionen ringen. Das Kuratorium der Landeszentrale ist so ein Ort.

Wir ringen hinter verschlossenen Türen, um nach außen hin gemeinsam unsere Institutionen zu stärken. Und ich bedauere es zutiefst, dass das letzte Jahr so verlaufen ist, dass trotz wiederholter Mahnungen im Kuratorium wir es nicht geschafft haben, die Debatten rund um die Ausrichtung der Landeszentrale im Kuratorium zu belassen und sie stattdessen durch die Vermengung der Arbeit der Landeszentrale und der Schaffung der Stabstelle der Konflikt in die Öffentlichkeit getragen wurde.

Und wenn es schon dazu gekommen ist, dass die Debatte hier in die Fragestunde des Plenums getragen wurde, dann ist es unser gemeinsamer Auftrag, an keiner Stelle Zweifel aufkommen zu lassen daran, dass die Landeszentrale ihrem Auftrag der überparteilichkeit gerecht wurde. Insbesondere muss jeder und jede in diesem Raum der Verlockung widerstehen, kleine Beispiele der Arbeit der Landeszentrale in Misskredit zu führen und über diese auch das Gesamtwirken der Landeszentrale infrage zu stellen.“

Maja Lasic, Bildungspolitische Sprecherin (SPD) (Link)

Es wurde im Rahmen der Debatte deutlich, dass die CDU im Abgeordnetenhaus für ihre Idee und die Heftigkeit der Vorträge seitens der Bildungssenatorin und des CDU-Abgeordneten Freymark lediglich die AfD-Fraktion an ihrer Seite wusste. Was in den Wochen darauf folgte, waren heftige Debatten in der Zivilgesellschaft, an denen sich auch die SPD-Fraktion intensiv an der Seite der Zivilgesellschaft beteiligte.

Angesichts dieser heftigen Auseinandersetzung innerhalb der Koalition war es umso bemerkenswerter, dass die Haushälter der Fraktion im Zuge der Haushaltseinigung den Etat der Landeszentrale im für die Trägerfinanzierung vorgesehenen Haushaltstitel (Titel 10 14 68569 153 „Sonstige Zuschüsse für konsumtive Zwecke im Inland“ der Berliner Landeszentrale für politische Bildung) um 850.000€ beinahe halbierten.

Es entstand bei nicht wenigen in der Bildungslandschaft der Eindruck, dass eine stockende inhaltliche Einflussnahme durch eine Kürzung der Mittel kompensiert werden solle. Dies führte auch zu Nachfragen gegenüber der SPD, die die Unabhängigkeit der Landeszentrale kurz zuvor noch intensiv verteidigt hatte. Die Fraktionäre gaben sich überrascht. Die Zivilgesellschaft war es, wie beschrieben, auch. Die Bildungspolitische Sprecherin der SPD, Maja Lasic bezeichnete die Kürzung im Rahmen dieser Debatte als „Nicht gewollter technischer Unfall“.

Wenige Wochen später wurde der Berliner Nachtragshaushalt im Abgeordnetenhaus beschlossen. Die vorher vermerkte Kürzung im Haushalt der Landeszentrale für 2025 wurde vorher zurückgenommen.

Die AfD-Fraktion fragte ein paar Wochen später, im Januar 2025, im Rahmen der „Aktuellen Viertelstunde“ der Sitzung des Bildungsausschusses im Abgeordnetenhaus, ob die Stabstelle bereits Ergebnisse im Zusammenhang mit der Landeszentrale für politische Bildung erzielen würde und wie sich das auf die Arbeit, die Materialien und die Zusammenarbeit der Landeszentrale mit einzelnen Trägern der politischen Bildung auswirke.

Bildungssenatorin Günther-Wünsch (CDU) erklärte hierauf, sie wolle etwas „korrigieren“. Die Stabstelle sei nicht dafür da, die Arbeit der Landeszentrale „zu begleiten, oder zu korrigieren“. Es sei eine Stabstelle für das Thema „Demokratiebildung an den Berliner Schulen“ geplant und es ginge darum, das Thema „verbindlich und nachhaltig an den Berliner Schulen zu implementieren und Maßnahmen zu eruieren, die bedarfsgerecht, aber auch zielgerichtet und wirksam sind.“ Die Personalbestellung für die Stabstelle sei nach wie vor im Beteiligungsverfahren.

Die Entwicklung von einer geplanten Stabstelle für die „Steuerung und Koordination und der Kontrolle […] im Sinne der Nutzerinnen der Landeszentrale“ sowie „die Zusammenführung bisher getrennter Arbeitsbereiche“ (Senatorin Günther-Wünsch, CDU) hin zu einer Stabstelle für das Thema „Demokratiebildung an den Berliner Schulen“ bei gleichzeitiger Rücknahme der Konsolidierungsauflagen gegenüber der Landeszentrale und die beinahe beiläufige Erwähnung der Entwicklung im Bildungsausschuss deuteten darauf hin, dass sich die Berliner Zivilgesellschaft, die Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und die SPD an dieser Stelle durchgesetzt haben.

Mitte März 2025 meldete der Tagesspiegel, dass die Personalvertretung der Bildungsverwaltung dem Besetzungsverfahren nicht zustimmen würde. Hintergrund ist, dass die Hausspitze die Besetzung ohne reguläre Ausschreibung vornehmen wollte, da für diese ein „ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen der politischen Leitung und der Stabsstelle von herausragender Bedeutung“ sei.

Auch dieser Aspekt war Teil der öffentlichen und parlamentarischen Kritik an der Konzeptionierung der Stabstelle. Die Personalvertretung bestand auf eine ordentliche Ausschreibung und eine Besetzung nach rein fachlichen Kriterien. In der von der Senatorin und ihren Staatssekretär:innen angedachten Konzeption wäre die Stabstelle damit nicht mehr haltbar.

Wie die Berliner Senatskoalition künftig im Bereich der Demokratiebildung agieren wird, wird von der Öffentlichkeit und der Bildungslandschaft sicher weiterhin mit Aufmerksamkeit begleitet. Immer wieder ergeben sich auf der Berliner Landesebene spiegelbildliche Debatten, wie sie auch auf der Bundesebene geführt werden. Die politische und gesellschaftliche Bildung stehen auch im Land Berlin unter Druck.

In der Berliner Bildungslandschaft wurde zuletzt aufmerksam registriert, dass die Bildungssenatorin in den Koalitionsverhandlungen der Bundesebene Mitglied der CDU-Arbeitsgruppe für das Familienressort wurde. Das Bundesfamilienministerium ist auch für wesentliche Teile der Demokratieförderung des Bundes, insbesondere für das Programm „Demokratie leben“ zuständig, welches auch im Land Berlin eine Reihe verschiedentlichster Angebote fördert.

Beitragsfoto: SPD-Fraktionschef Raed Saleh bei der Veranstaltung seiner Fraktion zur Unabhängigkeit der Landeszentrale für politische Bildung im November 2024. ©Marco Fechner