Von Roland Kern, Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS) e.V.

Sind die Überlegungen zu einem Partizipationszuschlag wirklich als „Rückschritt für die Sprachförderung in einer multikulturellen Metropole“ zu werten, wie es Lars Békesi vom VKMK bewertete, oder nicht doch wichtiger Teil einer überfälligen Neuordnung der Förderung von Kitas in besonderen Belastungssituationen? Zu dieser Thematik hat der Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS) im Januar 2023 ein ausführliches Positionspapier inkl. eines konkreten Rechenmodells vorgelegt. An dieser Stelle will ich die Kernpunkte unserer, zu einem ganz anderen Ergebnis, als Lars Békési kommenden Überlegungen zusammenfassen:

– Kinder im Kita-Alter sind kleine Sprachwunder. Das können wohl alle Praktiker:innen bestätigen. Die Sprachkompetenz und damit auch der Erwerb ausreichender deutscher Sprachkenntnisse hängt dabei weniger von der Familiensprache als vom sprachlichen Anregungsniveau in der Umgebung des Kindes, vor allem also in der Familie, ab.

– Der Zuschlag für Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache (ndH) stammt aus einer Zeit, in der Zuwanderung noch vorrangig mit der Idee vom „Gastarbeiter“ für niedrig qualifizierte Tätigkeiten verknüpft war, war also auch mal ein „Sozialzuschlag“. Mit der Situation von Familien nichtdeutscher Herkunftssprache in der „multikulturellen Metropole“ hat das nur noch bedingt was zu tun, was ja auch die Beispiele in Békésis Beitrag verdeutlichen. Das Label ndH taugt also ebenfalls nur noch bedingt für die Markierung eines besonderen individuellen Unterstützungsbedarfs.

– Seit vielen Jahren und in unzähligen Studien bekommt das deutsche Bildungswesen zugleich nachgewiesen, dass Bildungserfolge eng mit der sozialen Situation und dem Bildungsstand im Elternhaus verknüpft sind.

– Es ergibt also Sinn, einen besonderen Unterstützungsbedarf eher an die soziale Situation im Elternhaus als an die Familiensprache zu binden. Deshalb befürworten wir einen Schwenk bei der Zulagen-Grundlage von ndH zu BuT. BuT steht hier für die Berechtigung für Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Diese stehen grob gesagt allen Kindern zu, deren Familien irgendwelche Sozialtransferleistungen beziehen. Dass auch eine pauschale Verknüpfung „BuT = besonderer Unterstützungsbedarf“ nicht in jedem Einzelfall trägt, ist unstrittig, aber bei der Suche nach einem einfachen Marker haben auch wir nichts Besseres als die BuT-Berechtigung gefunden.

– Kleiner technischer Knackpunkt: Weil nicht jede BuT-berechtigte Familie auch den berlinpass-BuT für die Kinder beantragt, müssen so wie im Schulbereich auch andere Berechtigungsnachweise akzeptiert werden.

– Zur Schwellendiskussion: Es stellt kein Gütesiegel für eine besondere Förderung/Zulage dar, wenn damit möglichst viele Kinder bzw. Kitas erreicht werden. Sondern es müssen die richtigen Kinder/Kitas profitieren. Der Umgang mit Heterogenität gehört zum normalen Geschäft jeder Kita, zumal in einer heterogenen Stadt wie Berlin. Die Ressourcen dafür müssen über einen ausreichenden Personalschlüssel bereitgestellt werden. Die besondere Herausforderung ergibt sich dort, wo in einer Kita viele Kinder mit überdurchschnittlichem Unterstützungsbedarf zusammenkommen. Und diese Kitas sollten dann wiederum eine gesonderte Unterstützung erhalten, die wirklich spürbar ist. Deshalb sollte die Förderung über den Sozialzuschlag konzentriert werden. Schwellenmodelle sind dafür ein gutes Mittel und in unserem eigenen Vorschlag finden sich gleich zwei Schwellen und damit eine noch mal gesteigerte Förderung für alle Kitas, die mit mehr als 60% BuT-berechtigten Kindern arbeiten.

– Damit die Förderung von Kitas in besonderen Belastungssituationen zielgenauer und konzentrierter ausfällt, plädieren wir auch dafür, dass der QM/MSS-Zuschlag und das auf den Zugangskriterien QM/MSS und ndH beruhende Sprachkita-Sonderprogramm auslaufen und die darin steckenden Mittel in die Ausgestaltung eines gut ausgestatteten BuT-basierten Sozialzuschlags fließen. Zur Erklärung für alle, die nicht knietief in der Kita-Finanzierung stecken: Über den Zuschlag QM/MSS bekommen Kitas für jedes Kind, das in einem Quartiersmanagement-Gebiet (QM) bzw. einem Aufmerksamkeitsgebiet des Monitoring Soziale Stadt (MSS) in bestimmten Kategorien lebt, einen kleinen Zuschlag. Dieser Zuschlag war mal an das (niedrige) Einkommen der Eltern geknüpft, seitdem im Zuge der Beitragsfreiheit das Elterneinkommen im Kitabereich nicht mehr erfasst wird, zählt nur noch der Wohnsitz.

– Mit welchem Fokus die zuschlagsberechtigte Kita den neuen „Sozialzuschlag“ einsetzt, muss von der individuellen Situation vor Ort abhängen. Grundsätzlich soll damit weiterhin zusätzliches Personal bezahlt werden. Ob man damit Sprachförderkräfte bezahlt, in Kita-Sozialarbeit investiert oder aber auch einfach den Gruppenschlüssel verbessert, damit den Fachkräften mehr Zeit für die Arbeit mit einzelnen Kindern/Familien zur Verfügung steht, das können Träger und Kita-Team am besten entscheiden.

– BuT-Zuschlag zusätzlich zum ndH-Zuschlag? Natürlich kann man sich, wie im Beitrag von Lars Békési zum Ende hin anklingt, auch eine große Ausdehnung der Zuschläge wünschen. Für jedes Kind mit nichtdeutscher Herkunftssprache und gleich auch noch für jedes BuT-berechtigte Kind. Dass angesichts der aktuellen Haushaltssituation eine deutliche Ausweitung der bereits beträchtlichen Mittel für den Kitabereich unrealistisch ist (und wenn, dann wäre sie in einem verbesserten Personalschlüssel für die unter Dreijährigen erheblich besser angelegt), das weiß auch Lars Békési. Und so läuft sein Plädoyer für die Beibehaltung und Ausweitung des ndH-Zuschlags ganz praktisch dann doch auf eine Verhinderung eines „Sozialzuschlags“ auf verbesserter Grundlage hinaus. Damit wird eine zielgenauere Zuschlagsgestaltung aktiv verhindert und eben gerade kein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit geleistet.

– Dass Kitas, die jetzt vom ndH-Zuschlag profitieren und dies bei einem BuT-Zuschlag nicht mehr tun würden, eine solche Umstellung bedauern, ist ihnen nicht zu verübeln. Das wird auch diversen DaKS-Mitgliedseinrichtungen so gehen. Trotzdem plädieren wir aus fachlicher Sicht für den skizzierten Wechsel bei den Zuschlägen.

Roland Kern, DaKS e.V., 5.11.24

Zum Autor: Roland Kern ist einer der Sprecher:innen des Dachverbands Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS) e.V., in dem etwas mehr als 1.000 in der Regel kleine und selbstverwaltete Kitas, Horte und Schulen in Berlin zusammengeschlossen sind.