Sowohl als Vater, als auch als Elternvertreter erlebe ich, dass bestimmte Diskussionen periodisch wiederkehren, engagiert geführt werden und auch kein Ende nehmen. Eine von Ihnen ist die mit dem Nachwuchs allwöchentlich geführte Debatte am heimischen Abendbrottisch mit dem Titel „Was wollen wir am Wochenende zum Mittag essen?“. Das alljährliche Pendent dazu in der Elternvertretung lautet „Den Kindern schmeckt das Essen nicht, bestellt den Caterer ein!“
Und wie immer, wenn vier Menschen zu einer Frage fünf Meinungen haben, oder 500 bis 1.000 Geschmäcker unter einen Hut gebracht werden müssen, ist es ratsam, sich mal informieren, wie es andere tun und auf das Thema schauen. Aus diesem Grund habe ich mich über das „Frühpädagogische Plenum 2024“ gefreut, das FRÖBEL zusammen mit der Sarah Wiener Stiftung organisiert hat.
Es ging unter der Überschrift, „Essen bildet! Mit früher Ernährungsbildung die Welt verändern“ neben vielen anderen Themen auch um die Fragen, wie man Kinder für(s) Essen begeistern kann und welche Möglichkeiten Bildungseinrichtungen haben, den Kindern gute und gesunde Mahlzeiten zielgruppengerecht anzubieten. Ort der Veranstaltung war das Ludwig-Erhard-Haus, der Sitz der IHK Berlin.
Besonders eindrücklich fand ich die Keynote von Sarah Wiener, in der sie darstellte, wie wichtig es ist, dass Kinder möglichst früh erleben, was frische Lebensmittel ausmacht. Dass es wichtig ist, dass Kinder Lebensmittel selbst zubereiten und wenn möglich auch selbst mal in der Erde wühlen, um eine Karotte auszugraben. Dass sie den Unterschied kennenlernen zwischen industriell (hoch)verarbeiteten Waren einerseits und Lebensmitteln andererseits.
Aus ihrer Sicht sei kochen durchaus als „revolutionärer politischer Akt“ begreifbar, da die Fähigkeit dazu nicht nur beim Zubereiten guter Mahlzeiten hilft, sondern auch Selbstwirksamkeit schafft, das soziale und kulturelle Miteinander fördern kann (sowohl beim kochen, als auch beim Essen) und auch die Sensibilität für nachhaltiges Handeln stärken kann.
Dass Essen auch Bildung ist, wurde auch in diesem Vortrag mehr als deutlich. Nicht umsonst gehört das tägliche gemeinsame Essen explizit zum Bildungsauftrag der Kitas und ist keine reine „Versorgung“.
Als Moderator Jan-Martin Wiarda in der anschließenden Podiumsdebatte die Frage aufwarf, was es brauche, um gute Ernährung in Kitas zu etablieren, gab FRÖBEL-Geschäftsführer Stefan Spieker eine klare Antwort: „Gute Beispiele und „schräge Akteure“, wie den Acker e.V. und die Sarah Wiener Stiftung, die sich trauen, die Dinge einfach mal anders zu machen.“
Dr. Christoph Schmitz vom „Acker e.V.“ unterstrich im Zuge der Debatte die Notwendigkeit, dass Kinder (und auch Erwachsene) erleben können, wie Lebensmittel entstehen und verarbeitet werden, wie man mit ihnen wertschätzend umgehen kann und im Zuge desse auch Lebensmittelverschwendung vermeiden kann.
An Schulen stellt sich der Umgang mit der Essensversorgung leider anders dar und persönlich bemerkt ist das auch ein Punkt, an dem mir als Elternvertreter immer wieder bewusst wird, wie bürokratisch und stiefmütterlich bis kleinkariert die Debatte über das Mittagessen in Schulen geführt wird.
Wenn gerechtfertigt werden muss, dass alle Kinder zuverlässig ein kostenbeteiligungsfreies Essen erhalten und die Kinder nicht schon selbst Grund genug sind. Wenn darüber diskutiert werden muss, ob es 4,20€ oder 4,50€ kosten darf und wenn suggeriert wird, man könne mit Kostensteigerungen unter gleichen Bedingungen bessere Qualität liefern, um Kostenbeteiligungen mehrheitsfähig zu machen.
Wenn aber nie eine ehrliche Debatte über den Umstand geführt wird, dass angelieferte Massenverpflegung nunmal nicht den Standard haben kann, den eine Zubereitung vor Ort in einer eigenen Schulküche haben könnte, die mehr ist, als nur eine Warmhalte- und Ausgabeküche.
Nahrungsmittel brauchen Geschmack, Farbe und Konsistenz. Auch für Kinder. Kinder brauchen eine kindgerechte „Darreichung“, wie auch die FRÖBEL-Praxisberater für Küche und Ernährung, Robert Kapa, Heiko Mezger und Oliver Zörb darstellten, als sie (neben vielem Anderen) erklärten, was alle Eltern von (insbesondere kleinen) Kindern auch irgendwann gelernt haben:
die Erbsen schmecken nur, wenn sie die Möhren nicht berührt haben und wenn die Paprika nicht neben der Kartoffel liegt, oder gar mit ihr verrührt ist. Ein wissendes Lachen ging in diesem Moment durch den Saal.
Und ja: mir ist bewusst, dass es etliche Millionen kosten und Jahre dauern würde, alle Berliner Schulen mit entsprechenden Küchen und Personal auszustatten, aber warum eigentlich nicht, wenn es doch um die Kinder und Qualität geht und darum, dass weniger weggeschmissen werden soll?
Wie kann es sein, dass Küchenpersonal und pädagogisches Personal der Schulen in ihrer Arbeit für die Kinder kaum Berührung miteinander haben, obwohl es wirklich sinnvoll wäre, sich miteinander über die Bedürfnisse der Kinder und eine gemeinsame Herangehensweise zu verständigen? Viele Kitas sind in diesen Bereichen deutlich weiter und können Vorbild für die Schulen und die Schulverwaltung sein.
Ernährung ist mehr als sattwerden in der Pause. Die Art der Ernährung entscheidet maßgeblich über die körperliche und geistige Fitness und ist damit Voraussetzung, überhaupt lernen zu können. Gesunde und gute Ernährung in Kitas und auch Schulen ist somit ein Beitrag zur Chancengleichheit und zur Gesundheit sowohl von Menschen, als auch zur Gesundheit des Gesundheitswesens selbst.
Der Impulsvortrag „Ernährung und Gesundheitsschancen: wie unterscheidet sich die Gesundheit von Kindern in verschiedenen Familien und Sozialräumen?“ von Prof. Dr. Susanna Wiegand (Leiterin der Adipositas-Ambulanz der Charité Berlin) war für mich erneut ein sehr guter Beleg dafür, dass gute Ernährung in den öffentlichen Bildungseinrichtungen kein Nebenthema ist, sondern einen deutlich höheren Stellenwert benötigt.
Gute Ernährung ist, um mal das ganz große Wort zu bemühen, ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und muss m.E., was Kitas und Schulen angeht, auch im öffentlichen Interesse liegen.
FRÖBEL war so nett und hat noch ein Paket für alle Teilnehmenden gepackt und unter Anderem ein Heft mit Rezepten aus seinen Kitas beigefügt. Die Sarah Wiener Stiftung gab Kochlöffel dazu.
Ich bin dann mal in der Küche.
Vengan niños, viva la revolución!