Es treffen sich eine Senatorin, Kinder, Eltern, Wissenschaftler:innen und Fachkräfte und tauschen die Rollen…
…so könnte man dieses spannendes Experiment bezeichnen, das die Teilnehmenden des Planspiels „Bildungsgipfel 2025 – Kita und Schule zusammendenken“ erwartete:
Expertinnen und Experten aus den Kitas und der Wissenschaft, aus der Wirtschaft und der Politik, Elternvertretende und viele Andere kamen auf Einladung von FRÖBEL-Geschäftsführer Stefan Spieker zusammen, die Rollen wurden „durcheinandergeworfen“ und dann sollten sich einzelne Teams mit einer der jeweiligen anderen Perspektiven auseinandersetzen und Lösungsideen formulieren.
Das Ziel des Abends war es, Ideen für die Gestaltung des Übergangs von der Kita in die Grundschulen zu entwickeln und zu diskutieren. Der ganz reale Hintergrund sind die bestehenden Probleme der Kinder, die in hohem Maße schon im Grundschulalter die Mindestanforderungen nicht erreichen (in Berlin sind es rund 40% der Kinder mit mangelhaften Sprachkenntnissen in Klasse 3) und die Probleme vieler Kinder beim Start in die Schullaufbahn.
Allzu häufig begründet sich in einem nicht funktionierenden Übergang von der Kita zur Schule schon ein späteres Scheitern einer Schullaufbahn. Umso wichtiger ist es, diese Phase genauer in den Blick zu nehmen.

Es wurden Teams zu den jeweiligen Akteursgruppen
- Kinder
- Familien/Eltern
- Kita-Fachkräfte
- Politik und Verwaltung
- Schulen
- Wirtschaft
- Wissenschaft
gebildet. Ich wurde dem Team „Politik und Verwaltung“ zugeordnet. Im Anschluss an eine 20-Minütige Erarbeitungsphase stellten wir unsere Teamergebnisse in der „großen Runde“ vor und debattierten die Vorschläge der verschiedenen Teams. Einem der Teams gehörte auch Bildungs- Jugend- und Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) an, die sich engagiert an der Debatte sowohl in der Rollenzuteilung ihres Teams („Politik und Verwaltung“ war es nicht), als auch als Senatorin beteiligte.
Der Charme des Formats lag für mich darin, die Perspektive wechseln zu „müssen“ und zusammen mit anderen, die ebenfalls nicht aus der zugeordneten Profession kamen (in meinem Team waren es im Wesentlichen Kitaleitungen) herauszufinden, wie Lösungsvorschläge aussehen können.
Mit zunehmender Diskussionsdauer erweiterten sich die Perspektiven der einzelnen Teams und Teilnehmenden dann zwar wieder um die jeweils tatsächliche eigene Profession, aber das war in der Kombination des Ganzen wieder ein Gewinn. Dieses Formatkonzept werde ich auf jeden Fall mal an anderer Stelle nutzen.
Die gemeinsamen Leitfragen des Abends für die jeweiligen Gruppen:
• Was brauchen Kinder, damit der Übergang von der Kita in die Schule gut gelingt?
• Welche Zukunfts- und Basiskompetenzen sind wichtig für den Bildungsweg der Kinder?
• Was sollte die Kita vor der Schule leisten, damit der Übergang für alle Kinder gut gelingt?
• Was sollte die Schule tun, damit der Übergang für alle Kinder gut gelingt?
• Was sind aus Sicht meiner gesellschaftlichen Akteursgruppe die drei wichtigsten Prioritäten?
• Welche drei Maßnahmen haben höchste Priorität?
Ergebnisse
Als Ergebnis der Arbeitsgruppe „Politik und Verwaltung“, die unter der Maßgabe denken sollte, dass das Geld knapp ist, schälten sich folgende Grundpositionen heraus:
Kinder sollten aus der Kita die Fähigkeiten mitbringen, die sie brauchen,
- um den Weg zur und von der Schule eigenständig bewältigen zu können
- sich in einer größeren Gruppe bewegen zu können und Anschluss zu finden
- die motorischen Fähigkeiten, um mitarbeiten zu können
- und die nötige Aufgeschlossenheit gegenüber den Themen der Schule
- sowie das nötige „Durchhaltevermögen“ für 45-Minuten-Stunden und die nötige Frustrationstoleranz.
Dass Sprachkenntnisse notwendig sind, um gut in die Schulzeit starten zu können, war in unserer Gruppe Konsens, jedoch gab es auch eine Übereinstimmung, dass insbesondere das letzte Jahr vor der Einschulung nicht zulasten der anderen Aufgaben auf diesen Punkt konzentriert werden sollte. Die Kitas haben eine Mitverantwortung für einen gelingenden Übergang, sie sollten aber keine Vorschulen sein und sich nicht ausschließlich auf die Vermittlung „schulnaher“ Kompetenzen konzentrieren.
Insofern ergab sich als Ergebnis der Arbeitsgruppe auch, dass eine gezielte Förderung erst im letzten Jahr vor der Einschulung zu spät einsetzt und dass es darum gehen muss, die Kinder deutlich früher zu erreichen und in die Kitas zu holen, insbesondere im Bereich der unter Dreijährigen. Dadurch würde sich auch der Druck auf Kitas mildern, mehr als nötig „schulnah“ arbeiten zu müssen.
Die Politik sollte hier ansetzen und die Zugangsverfahren deutlich entbürokratisieren. Häufig scheitert ein Kitabesuch an verschiedensten Barrieren, seien diese beispielsweise bürokratisch oder sprachlich. Das Land Berlin sahen wir mit dem geplanten automatischen Versand der Kitagutscheine auf dem richtigen Weg, allerdings sollte dies viel früher passieren, als zum dritten Lebensjahr. Insofern setzt auch das „Kitachancenjahr“ im letzten Jahr vor der Einschulung zu spät an.
Ein früherer Start in der Kita erhöht die Chancen auf einen gelingenden Übergang. Eine der von uns gelisteten Prioritäten war auch, die Besuchsregelmäßigkeit zu erhöhen. Einen Platz zu haben, ist das Eine, ihn wahrzunehmen, das Andere.
Ebenfalls wäre es uns wichtig, Angebote zu entwickeln und zu halten, die Eltern niedrigschwellig erreichen und beraten können, beispielsweise in Form von Familienzentren, aufsuchender Sozialarbeit und verschiedensten kiezbezogenen Angeboten. Viele Eltern erreicht man nicht mit Angeboten, für die sie eine Behörde aufsuchen müssen und diese brauchen häufig auch eine Vorteilsübersetzung, wenn es darum geht, sie vom Mehrwert eines Kitabesuch ihres Kindes zu überzeugen.
Weiterhin wäre es uns ein Anliegen, den Austausch zwischen Kitas, Schulen und Eltern zu verbessern, damit es nicht nur ein Übergang zwischen Strukturen ist, sondern wirklich eine Verzahnung der Bildungskonzepte, damit Kinder möglichst gelingend und kindgerecht wechseln können. Dies war auch ein besonderes Anliegen der Wissenschaftsvertreter:innen. Da unsere Arbeitsgruppe sowie das Bildungswesen selbst, aus verschiedenen Bundesländern zusammengestellt war und die Strukturen deshalb in Teilen unterschiedlich sind, haben wir diesen Vorschlag nicht in verschiedene Gremien mit unterschiedlichsten Namen „ausdifferenziert“. Wir waren uns aber einig, dass dieser Austausch auf kommunaler Ebene organisiert werden sollte.

Ein dringendes Anliegen unserer Gruppe war eine personelle, finanzielle und administrative Stärkung der Schulanfangsphasen (Jahrgänge eins und zwei). Wenn beispielsweise die Prüfung und Zuerkennung von Förderbedarfen und Nachteilsausgleichen ganze Schuljahre in Anspruch nimmt, hat das Bildungswesen Kinder häufig bereits abgehängt.
Eine weitere Priorität und Baustelle sahen wir nicht nur bei der Gewinnung von Personal für Kitas und Schulen, sondern auch darin, das bereits vorhandene Personal zu halten.
Wir finden es wichtig, dass die Schulen den Kindern und Eltern bereits vor Schuleintritt die Möglichkeit geben, die Schule kennenzulernen, beispielsweise in Form von Tagen der offenen Tür, oder durch vorbereitende Kitabesuche seitens der Lehrkräfte im Rahmen von Kita-Elternabenden.
Debatte
In der Debatte mit den anderen Gruppen stellte sich heraus (alles Andere wäre aber auch zugegenermaßen eine Überraschung gewesen), dass allseitig eine breite Notwendigkeit eines funktionierenden Kitasystems gesehen wird. Interessant fand ich den Einblick in die unterschiedlichen Ausbaustände des Kitasystems in den verschiedenen Bundesländern. Im Vergleich kann sich Berlin durchaus sehen lassen.
Allen gemein war das Anliegen, die Bildungskette wirklich als Kette zu verstehen, die wirklich verbunden ist und so wenig Brüche für Kinder und Familien wie möglich verursacht. Es wurde in den Raum gestellt, dass der Wechsel in die Schule für Kinder und familien ein „traumatisches Erlebnis“ sei durch die vielen Veränderungen, die diese im Alltag nach sich zieht.
Wenn ich als Vater an diese Zeit zurückdenke, die man so wie andere Phasen auch „abgearbeitet“ hat, ohne das währenddessen zu reflektieren, trifft es der Begriff, so drastisch er klingen mag, doch ein Stück weit:
zwischen dem Besuch einer Kita und dem einer Schule liegen für alle Beteiligten, insbesondere die Kinder, gewaltige Unterschiede und sie sind eine wirkliche Umstellung. Muss diese insbesondere für die Kinder so kompliziert sein?
Es ist auch sprachlich bemerkenswert, dass Kinder solange sie in die Kita gehen, noch als Kinder bezeichnet werden, aber mit dem Schuleintritt plötzlich „Schülerin“ oder „Schüler“ sind und damit in der Funktion, die ihnen zugewiesen wird, bezeichnet werden. Das mag man für eine sprachliche Spitzfindigkeit halten, ich finde aber, dass das eine Menge aussagt über unseren Blick auf Kinder und die verschiedenen Bildungsinstitutionen.
- Insofern wünschten sich „Die Kinder“ auch, dass sie mit ihren Wünschen und Bedürfnissen gesehen werden und Mittelpunkt des Prozesses sind. Eltern, Kitas und Schulen müssen hieran gemeinsam arbeiten.
- „Die Eltern“ wünschten sich Teilhabe und wahrgenommen zu werden. Es wurde angemerkt, dass Eltern eine sehr diverse „Zielgruppe“ sind, die nur auf differenzierten „Kanälen“ und mit jeweils passenden Angeboten erreicht und einbezogen werden kann.
- „Die Wissenschaft“ wünschte sich mehr Datenbasierung in der frühkindlichen Bildung, einen besseren Transfer von bereits vorhandenem Wissen in die Praxis und einen ganzheitlichen Blick der Politik auf den frühkindlichen Lernprozess, der mehr beinhalten muss, als „schulnahes“ Wissen und dem eine Logik von Sprachstandsfeststellungen zu einem fest definierten Zeitpunkt nicht gerecht wird.
- „Die Fachkräfte“ wünschten sich einen ganzheitlichen Blick auf die Teilhabefähigkeit der Kinder, bewerteten eine Fokussierung auf sprachliche Kompetenzen als zu kurz gegriffen und wünschten sich eine dreijährige Kitapflicht.
- „Die Schule“ wünschte sich vor Allem mehr Ressourcen und Stundenbereitstellungen für die Phase des Übergangs, um diesen gut organisieren zu können.
Es war ein hochinteressanter Abend mit etlichen Gesprächen auch im Nachgang zur Debatte und womöglich resultiert aus diesem Abend auch die eine oder andere kommende Podcastepisode.
Herzlichen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, dabei zu sein.
