Schulbau, Klassenfahrten und flexible Schulbudgets.
Teil 3 zur Schwarz-Roten Koalitionshalbzeit in Berlin.
Die „Äußeren Schulangelegenheiten“ (zu denen auch der Schulbau gehört) sind seit je her ein Dickicht aus Zuständigkeiten, Finanzierungswegen und Rechtsvorschriften (siehe Podcastgespräch mit Staatssekretär Dr. Torsten Kühne zum Thema in seiner Zeit als früherer Schulstadtrat in Marzahn-Hellersdorf). Bemerkenswert war, dass die 12 bezirklichen Schulämter nach den Wiederholungswahlen der Bezirksverordnetenversammlungen, die zeitgleich mit der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus stattfanden, komplett an die Koalitionäre von CDU (8 Bezirke) und SPD (4 Bezirke) verhandelt worden sind. Die für den Schulbau relevanten bezirklichen Serviceeinheiten „Facillity Management“ gingen in 10 von 12 Bezirken ebenfalls an die Koalitionäre von CDU und SPD (außer in Lichtenberg und Steglitz-Zehlendorf). Eine berlinweite Bündelung von Aufgaben und Kompetenzen, die sich von der jüngeren Berliner Vergangenheit abhebt.
Zeitgleich wurde durch die Koalitionäre der schon seit Jahren – parteiübergreifend – geforderte Posten eines Staatssekretärs für Schulbau und Schuldigitalisierung geschaffen und mit dem früheren Bezirksstadtrat, Dr. Torsten Kühne besetzt. Das Dickicht aus Zuständigkeiten und Finanzierungswegen wurde dadurch nicht durchschlagen, aber nach meinem Eindruck konnte hierdurch etwas mehr Stringenz in die Abstimmungsverfahren zwischen Bezirken, Senatsverwaltungen und weiteren Akteuren, wie der HOWOGE gebracht werden.
Die seit 2016 laufende „Schulbauoffensive“, im Rahmen derer zahlreiche neue Schulen gebaut und viele weitere Schulen saniert werden, befindet sich aktuell in einer Phase mit vielen Eröffnungen und Übergaben, so dass die Senatorin und ihre Staatssekretär:innen in den vergangenen zwei Jahren viele, meist noch unter der vorherigen Koalition begonnenen, Bauprojekte an Schulgemeinschaften übergeben konnten.
Es gibt nach wie vor zu wenige Plätze insbesondere an den weiterführenden Schulen. Das führt zu überfüllten Klassen einerseits und mitunter sehr weiten Fahrwegen zur Schule andererseits, weil viele Schüler:innen keinen Schulplatz im eigenen Bezirk finden. Das Chaos von 2022, als Eltern vor Sommerferienbeginn mitgeteilt wurde, dass es (noch) keinen Schulplatz für ihre Kinder gibt, hat sich bisher aber nicht wiederholt, was für eine bessere Abstimmung zwischen den beteiligten Fachverwaltungen spricht.
Gleichzeitig gelang es, einer Vielzahl an geflüchteten Kindern Plätze an Regelschulen anzubieten. Aber: Die vom Senat so genannte „Willkommensschule“ in Tegel, die ausschließlich geflüchtete Kinder beschult, die auch auf dem Gelände untergebracht sind, hat keine Perspektive auf Auflösung, sondern wurde sogar noch ausgebaut.
Im Koalitionsvertrag formulierten CDU und SPD 2023:
„Geflüchtete müssen bedarfsgerecht und nachhaltig untergebracht werden. Besonders
wichtig ist das für Familien mit Kindern. Unser Ziel ist, die besonders Schutzbedürftigen im
Blick zu haben und ihnen eine geeignete Unterbringung in Form einer Wohnung, vor
allem für Familien, zur Verfügung zu stellen und ihnen den Zugang zu erleichtern.„Koalitionsvertrag 2023 – 2026, S. 25
In Tempelhof soll demnächst eine weitere „Willkommensschule“ entstehen, an der ausschließlich Geflüchtete lernen. Diese Segregation von Kindern und Jugendlichen ist ein Umstand, der von den Oppositionsparteien DIE LINKE und Bündnis ´90/Die Grünen sowie Teilen der Berliner Stadtgesellschaft, aber auch vom kleineren Koalitionspartner SPD (Podcast mit SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasić) immer wieder kritisiert wird. Die Integration der Kinder in die Gesellschaft, ihre Teilhabe und auch der Spracherwerb würden damit erschwert, wenn nicht gar verhindert. Gefordert wird stattdessen der Ausbau von Kapazitäten an bestehenden Schulen, so dass die geflüchteten Kinder und Jugendlichen dort integriert werden können.
Durch eine Flexibilisierung von Ressourcen und die sozialräumliche Öffnung wird die Koalition
die Wartezeit für die Aufnahme von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Willkommensklassen
verkürzen. Die Koalition strebt die schnellstmögliche Integration in den Regelschulbetrieb an.Koalitionsvertrag 2023 – 2026, S. 43
Die Koalition bleibt erkennbar hinter dem Anspruch des eigenen Koalitionsvertrags zurück.
Dass die Koalition im Zuge der Haushaltsverhandlungen zwei dringend nötige Schulneubauten in Pankow und Reinickendorf aus dem Haushalt gestrichen hat und diese sich mindestens verzögern, wird absehbar weitere Probleme in diesen Bezirken mit hohem Schulplatzbedarf nach sich ziehen und auch die (nun später anfallenden) Baukosten weiter in die Höhe treiben.
Dass mit der Verschiebung eines Schulneubaus in der Cité Foch (Reinickendorf) ausgerechnet der Bauplan einer inklusiven Schwerpunktschule (an der Kinder mit und ohne Förderschwerpunkt gemeinsam lernen) mit Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“ verlängert wird, unterstreicht den an verschiedenen Stellen zu gewinnenden Eindruck, dass das Menschenrecht auf (in diesem Fall schulische) Inklusion und damit die Kinder, die besonderer Unterstützung und Teilhabeangebote bedürfen, unter der aktuellen Koalition keine Priorisierung erwarten dürfen.
Dass die BVV Neukölln im Januar 2025 mit den Stimmen von CDU und SPD die Neuerrichtung eines Förderzentrums und damit eine Stärkung der Exklusion gefordert und das Bezirksamt zur Veranlassung weiterer Schritte aufgefordert hat (Beschluss des BVV-Ausschusses), passt in dieses Bild. In den Beschluss wurde ergänzend die Formulierung „Außerdem wird das Bezirksamt gebeten, zusammen mit der regionalen Schulaufsicht, die Neuköllner Schulen zu ermutigen, inklusive Schwerpunktschule zu werden.“ aufgenommen. Mit etwas Kenntnis von Schulentwicklungsprozessen kann man die Aufnahme dieser Formulierung als pflichtschuldig, aber nicht Erfolg versprechend interpretieren.
Eine „Regelschule“ in eine inklusive Schwerpunkt umzuwandeln, ist ein Kraftakt, der eine Schulgemeinschaft über Jahre beschäftigt, Ressourcen bei allen Beteiligten bindet, absehbar auch Veränderungen im Personalstamm nach sich zieht und vor Allem sehr grundsätzliche Änderungen in der Arbeitsweise einer Schule erfordert.
Auf so einen Prozess muss man sich insbesondere als Schulleitung einlassen wollen. Die Schulaufsicht und auch das Bezirksamt können solche Prozesse auch nicht „von oben“ anordnen. Es bliebe also allenfalls die Möglichkeit der „Ermutigung“ der Schulleitungen, wie es im Beschluss geschrieben steht. Es ist vorstellbar, dass Schulleitungen auch in Neukölln ihre Ressourcen derzeit an anderen Stellen benötigen.
Die Senatorin wurde noch im August 2024 zitiert mit „Berlin kann es sich nicht leisten, auf nur einen Schulplatz zu verzichten […] Wir können darüber reden, wie wir bauen, aber nicht wie viel wir bauen“ […] Teilungsräume und andere bauliche Maßnahmen, die die Inklusion unterstützen sollen, dürften allerdings nicht unter den Sparhammer kommen.“
Vier Monate später kam eine komplette Schule mit inklusivem Schwerpunkt unter den „Sparhammer“.
„Wir werden die Berliner Schulbauoffensive (BSO) für alle Schularten mit Sanierungs- und
Neubaumaßnahmen fortsetzen und beschleunigen und dafür zusätzliche Mittel bereitstellen.
[…] Laufende Maßnahmen, für die bereits Bauplanungsunterlagen aufgestellt sind, sollen
beschleunigt werden. Wir streben für eine effiziente Projektdurchführung und hohe
Planungssicherheit ein unterbrechungsfreies Planen und Bauen an.Koalitionsvertrag 2023 – 2026, S. 39
Anfang Januar 2025 erklärte der Berliner Senator für Stadtentwicklung und Bauen, Christian Gaebler (SPD), dass man beim Schulbau sparen könne, indem man die “überbordenden Standards” bei Raumhöhen, Bewegungsflächen und Mensagrößen absenkt. Wenige Tage später erklärte die Bildungssenatorin im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses auf Nachfrage der Linksfraktion, dass dieser Vorstoß des Senators nicht in der Koaltition abgesprochen war und verwahrte sich dagegen, dass der Bausenator schulfachliche Einschätzungen (beispielsweise bei Raum- und Flächenbedarfen) abgibt, statt sich auf seine Zuständigkeit, die baufachlichen Fragen, zu konzentrieren.
Angesichts des Finanzvolumens der Schulbauoffensive von mehreren milliarden Euro ist diese immer wieder im Blick der Haushälter der Koalition, wenn es um die Frage von Einsparmöglichkeiten geht. Der große Neubau- und Sanierungsbedarf, aus dem sich das erhebliche Volumen der „Schulbauoffensive“ ergab und weiterhin ergibt, entstand insbesondere in den Rot-Roten Konsolidierungsjahren als Folge des Berliner Bankenskandals von 2001 unter dem früheren CDU-SPD-Senat unter Führung von Eberhard Diepgen (CDU). Die zurückliegenden Koalitionen waren im Bezug auf den Schulbau klar und haben Schulbau und Schulsanierung in ihren Planungen entsprechend priorisiert.
Angesichts des Zustands vieler Schulen einerseits und dem Mangel an Schulplätzen andererseits bleibt dieses auch weiterhin notwendig. Wie CDU und SPD mit dem Thema weiter umgehen werden und wie die Priorisierung aussehen wird, ist abzuwarten. Ebenso bleibt zu beobachten, wie die Koalition mit der Abwägung schulfachlicher und baufachlicher Standards umgehen wird. Die Signale sind derzeit sehr gemischt. Einerseits bekennt sich die Koalition immer wieder zur Schulbauoffensive, andererseits hat die Koalition erst jüngst 29 Schulbauvorhaben im Südwesten der Stadt aus der bis 2028 laufenden Investitionsplanung gestrichen.
Klassenfahrten und Schulbudgets
Dass die Debatte über die Kostenübernahmen bei Klassenfahrten am Ende noch was Gutes haben würde, hätten viele inklusive mir vermutlich nicht erwartet. Infolge dieser Debatte hat die Bildungsverwaltung „Flexible Schulbudgets“ eingeführt, bzw. dafür gesorgt, dass Gelder, die den Schulen für verschiedene Zwecke zur Verfügung gestellt werden, künftig flexibler und zweckübergreifender genutzt werden dürfen. Dies war in der Vergangenheit kaum möglich und damit ein Problem, das mitunter auch dazu geführt hat, dass Gelder, die den Schulen zur Verfügung standen, nicht genutzt werden konnten.
Künftig sind „Umschichtungen“ zwischen den Ausgabetiteln der Schulen leichter möglich. Im besten Fall kann das die schulindividuelle Entwicklung stärken, weil Ausgaben zielgenauer verwandt werden können, im schlechteren Fall lauten die Debattenüberschriften in den Schulkonferenzen nun „Arbeitsheft oder Klassenfahrt“? In den wohl wenigsten Fällen wird diese Entscheidung zur Flexibilisierung der Ausgabetitel die häufige und wohl noch zunehmende Unterfinanzierung der schuleigenen Budgets beheben.
Beitragsfoto: Marco Fechner via Ideogram.ai