Nachdem die Koalitionsidee des Religionsunterrichts als reguläres Wahlpflichtfach zuletzt erstauntlich unspektakulär in der Schublade verschwunden zu sein schien (ich berichtete jüngst) und auch die Religionsgemeinschaften, mit denen sich die Koalition in dieser Frage eng abstimmen wollten, bis zu dieser Woche noch auf Informationen warteten, gab es pünktlich zum Osterfest einen überraschenden Vorstoß der Bildungsverwaltung unter CDU-Senatorin Günther-Wünsch (Tagesspiegel-Bericht vom 19.04.2025).
Verschiedene offene Fragestellungen, wie beispielsweise die der Leistungsbewertung, die der Rahmenlehrpläne (es gibt in Berlin keinen Rahmenlehrplan für den Religionsunterricht) und die der Lehrkräftegewinnung würde man dadurch lösen oder delegieren, dass man den Religionsunterricht als frei wählbar belässt und es den Schülerinnen und Schülern frei stellt, den bisher verpflichtenden Ethikunterricht abzuwählen.
Diese Herangehensweise hätte aus Sicht der Bildungsverwaltung auch den Vorteil, dass Ethik-Lehrkräfte, die dann weniger im Ethikunterricht eingebunden sind, in ihren Zweitfächern unterrichten und damit den Unterrichtsausfall mindern können. Ein Sprecher der Bildungsverwaltung sprach in diesem Zusammenhang von einer Übertragung des „Brandenburger Modells“.
Allerdings: diese Herangehensweise wäre keine Weiterentwicklung des Religionsunterrichts zum regulären Wahlpflichtfach, wie es die Koalition und insbesondere die CDU im Koalitionsvertrag beabsichtigten, sondern eine Schwächung des Ethik-Unterrichts.
Dieser wurde in Berlin zum Schuljahr 2006/2007 für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend eingeführt. Diese Gesetzesänderung war unter Anderem eine Antwort auf den religiös motivierten Mord an Hatun Sürücü durch einen ihrer Brüder.
Die Einführung des Ethikunterrichts erfolgte, damit alle Berliner Schülerinnen und Schüler einen Werte- und Weltanschauungsunterricht wahrnehmen, der nicht vornehmlich religiös basiert ist und der religiöse und nicht-religiöse Glaubens- und Weltanschauungsbekenntnisse einschließt.
Dieser nun vorliegende Vorschlag ist in seinem historischen Kontext besonders bemerkenswert, da er von der Berliner CDU stammt, die sehr regelmäßig den Kampf insbesondere gegen radikalislamische Organisations- und Denkstrukturen betont.
Der nun von der CDU eingebrachte Vorschlag weist Parallelen zum im Jahr 2009 von der CDU vorangetriebenen, aber von den Berlinerinnen und Berlinern abgelehnten Volksentscheid „ProReli“ auf, der zum Ziel hatte, dass die Kinder sich zwischen Ethik und Religion entscheiden können sollten.
Der wesentliche Unterschied ist, dass es damals um Kinder ab Klasse 1 ging, die bisher bekannten Vorhaben der Koalition bezogen sich wesentlich auf die Jahrgänge 7-10.
Der Koalitionspartner SPD lehnte das Vorhaben ab. Maja Lasic (Bildungspolitische Sprecherin) erklärte sowohl gegenüber dem Tagesspiegel, als auch mir gegenüber: „Sämtliche Änderungen, die eine Veränderung beim Ethikunterricht vorsehen, sind im Koalitionsvertrag ausgeschlossen“.
Den Koalitionsvertrag kann man in diesem Zusammenhang auch anders lesen, da er Interpretationsspielräume lässt (siehe Tagesspiegel-Artikel), aber Priorität und Tonalität des Koalitionspartners sind damit gesetzt. Die von der Bildungssenatorin unterbreitete Neuregelung bräuchte eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus.
Der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise, erklärte mir gegenüber auf Nachfrage, dass der Landeselternausschuss keinen Handlungsbedarf im Bezug auf die aktuell geltende Regelung sähe und verwies in dem Zusammenhang auf einen Beschluss des Landeselternausschusses vom Mai 2024.
„Eine Stärkung des Religionsunterrichts und eine entsprechende Änderung des §13 des Berliner
Schulgesetzes sind aus Sicht des Landeselternausschusses nicht notwendig. […]„Aus einer Beschlusslage des Landeselternausschusses Berlin
Es bleibt zu beobachten, wie die Koalition mit dem Vorschlag umgehen wird.

Beitragsbild: Marco Fechner/open.ai