Paukenschlag am Freitagvormittag: nachdem monatelang spekuliert wurde, wo das Gutachten bleibt, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz am heutigen Freitag mitgeteilt, dass es die AfD nach Erstellung eines 1.100-seitigen Gutachtens bundesweit als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft hat.

Die Debatte über die Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens ist erneut ausgebrochen und sie ist richtig.

Berlin ist eine Stadt von Menschen unterschiedlichster Lebensentwürfe, unterschiedlicher Herkünfte und in unterschiedlichsten sozialen Lagen. Die meisten dieser Lebensentwürfe werden von der AfD angegriffen und es ist für all diejenigen, die die Diskussion nicht ausblenden, schon lange erkennbar, dass immer mehr Menschen überlegen, wohin sie gehen können, sollte diese Partei irgendwo in Verantwortung kommen.

Die AfD und ihr Vorfeld sind eine Gefahr für sehr viele Familien und auch Kinder und Jugendliche in dieser Stadt.

Der Verfassungsschutz hat in seiner das Gutachten begleitenden Pressemitteilung festgestellt, dass die AfD in verschiedenen Kontexten gegen die Menschenwürde und die Gleichheit der Menschen agiert. Sie ist dieser Einschätzung folgend eine Gefahr für die Menschen in dieser Stadt und eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit dieses Landes.

Die Zeit des „Wir stellen sie politisch“ im Stil eines Zauberlehrlings muss endgültig vorbei sein, denn was wäre denn, bekäme sie dennoch eine Mehrheit? Wäre es dann eine „demokratische Entscheidung“, dass die dann entstandene Minderheit sich verfolgen, vertreiben und diskriminieren lassen muss?

Eine Demokratie, die sich lediglich einer wie auch immer definierten Mehrheit verpflichtet fühlen möchte, ist keine Demokratie mehr. Es ist auch mittlerweile hinlänglich belegt, dass ein großer Teil der Anhänger dieser Partei sie nicht trotz, sondern wegen dieser Einstellungen wählt. Da gibt es nichts mehr zu „entzaubern“ oder „politisch zu stellen“.

Dass diese Anhänger durch ein Parteiverbot nicht „zurückzuholen“ sind, ist eine Binse, aber kein Argument gegen die Beantragung eines Verbotsverfahrens. Das Ziel eines Parteiverbots ist es nicht, Menschen „zurückzuholen“, sondern ein Verbot einer staats- und gesellschaftsgefährdenden Organisation, ihrer Strukturen und der Entzug ihrer finanziellen Mittel.

Die notwendige politische und gesellschaftspolitische Arbeit bleibt dennoch und sie muss gestärkt werden. Dass auch die demokratischen Parteien den Diskurs stärken müssen, bliebe in jedem Fall eine Aufgabe.

Denjenigen, die sich seit Jahren für diese Gesellschaft und ein friedliches Zusammenleben in dieser engagieren, ist es die Politik mehr als schuldig, endlich und entschieden tätig zu werden.

Die politisch Verantwortlichen müssen an dieser Stelle ihrer so oft zitierten „staatspolitischen Verantwortung“ nachkommen.

Dass Parteiverbote in Deutschland nicht politisch entschieden werden können, sondern juristisch, ist richtig und unterscheidet diese Demokratie von früheren Diktaturen. Eine Regierung kann und darf eine Oppositionspartei nicht verbieten. Ein etwaiges Parteiverbot folgt einer juristischen Bewertung durch das Bundesverfassungsgericht.

Insofern wäre eine Beantragung eines Parteiverbots auch kein politisch motiviertes Verbot, sondern ein Antrag auf juristische Prüfung. Sollte diese „Partei“ nichts falsch gemacht haben, müsste sie ein Verbotsverfahren auch nicht fürchten. Sollte sie es zu Recht fürchten, muss es geradezu eingeleitet werden und entzieht sich parteitaktischen Erwägungen. Dass diese „Partei“ sich im Zuge dessen als Opfer stilisiert, ist erwartbar und kein Grund gegen ein Verfahren.

Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag sollten sich dieser Prüfung nicht länger in den Weg stellen und hier ist auch das Berliner Abgeordnetenhaus und jede und jeder einzelne Abgeordnete und jedes Senatsmitglied in der Verantwortung:

Ein Parteiverbot kann durch den Bundesrat beantragt werden. Das Abgeordnetenhaus kann den Senat mit einer entsprechenden Initiative beauftragen. Der Senat könnte eine solche Initiative jederzeit beschließen.

Es gibt keine Zeit zu verlieren. Senat und Abgeordnetenhaus haben sich um diese Frage lange genug gedrückt und sollten klären, ob sie sich an die Seite der Menschen in dieser Stadt stellen wollen, die sich eine friedliche und gemeinsam gestaltete Zukunft wünschen.

Denjenigen, die glauben, dass ein Parteiverbot und eine gemeinsam gestaltete Zukunft ein Widerspruch wären, möchte ich die Befassung mit dem Toleranzparadoxon in „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ von Karl Popper ans Herz legen.

Fotos: Demonstration am Brandenburger Tor am 25.01.2025, © Marco Fechner