„Wir müssen liefern, damit…“
…ist eine der prägenden politischen Floskeln dieser Zeit und Ähnliches geht mir aktuell immer wieder durch den Kopf, wenn ich an die unfertigen Texte für diesen Blog denke, die auf ihre Fertigstellung und Veröffentlichung warten und bei denen ich mich bereits jetzt frage, ob ich „dann“ nicht „zu spät dran“ bin.
Ist es demokratische Beteiligung, wenn man nicht „liefert“?
Schulische Demokratie
In den vergangenen Wochen habe ich – endlich ging das Schuljahr wieder los – auch wieder mehr über schulische Demokratie nachgedacht und war auch bei der einen oder anderen Veranstaltung dabei.
Am Montag der vergangenen Woche feierten die schulischen Landesgremien von Pädagog:innen, Schüler:innen und Eltern ihr fünfzigjähriges Bestehen mit einem Festakt im Roten Rathaus und unter Anderem die Senator:innen (a.D.) Scheeres (2011-2021, SPD) und Volkholz (1989 – 1991, für Bü’90/Die Grünen) sowie die aktuelle Amtsinhaberin Günther-Wünsch (CDU) waren unter den Gästen und Diskutant:innen dabei.
In den Reden der ehemaligen Schüler:innen- Eltern- und Lehrkräftevertretenden wurde deutlich, dass sich manche Baustellen (unter Anderem, dass man schon in den 1970ern dafür gekämpft hat, dass man Eltern ernst nimmt) bis heute nicht erledigt haben.
Die aktuelle und die ehemaligen Amtsinhaberinnen hingegen waren sich auf unterschiedliche Weise einig, dass die Gremienvertretungen eine wichtige Arbeit leisten und dass sie diese ernst nähmen bzw. genommen hätten. Auch hier scheint es Konstanten zu geben.
Die großen Themen
In den Schulen werden Probleme nicht neu erfunden, sondern sie spiegeln den Zustand einer Gesellschaft lediglich. Ist schulische Mitwirkung insofern ein rumdoktorn an Symptomen?
In meiner Kolumne „Aus dem Elternchat“ im „Tagesspiegel“ habe ich mich am Dienstag mit Mobbing in Schulen beschäftigt. Ich empfinde es als Privileg, dort schreiben und veröffentlichen zu können, aber kann man „liefern“, indem man Probleme, die sich in Schulen spiegeln, beschreibt?
Am Dienstagabend konstituierte sich die Gesamtelternvertretung meiner „schulischen Heimstatt“ und ich freue mich, dass man mich erneut aufs „Gesamtelternvertreterkarussell“ gesetzt hat.
In den vergangenen Jahren haben wir zusammen für so manches Problem so manche Lösung gefunden, aber kann man auch bei den „großen Problemen“ irgendwas tun, um zu „liefern“? Kann man auch an dieser Stelle ein Problem lösen, oder es nur beschreiben, eine Lösung anmahnen und dafür sorgen, dass es wahrnehmbar wird?
In den Tagen nach der Sitzung begann die bürokratische Arbeit, die an so einem Ehrenamt auch dran hängt und die wenig vergnügungssteuerpflichtig ist:
Mitgliederlisten vervollständigen, Mitschriften zusammenbringen, Terminschienen vereinbaren, Mailverteiler erstellen…
Das Parlament
Am Donnerstag tagte das Plenum des Berliner Abgeordnetenhauses. Die Bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Sandra Khalatbari, wollte von Bildungssenatorin Günther-Wünsch (ebenfalls CDU) wissen, wie der Stand bei der Reform der Strukturen ist, um Mobbing besser bekämpfen zu können (Mediathek des RBB).
Die Grünen forderten vom Senat eine „Gesamtstrategie gegen Rechtsextremismus“ (Mediathek), die Koalition stellte ihre Novellierung des Kitaförderungsgesetzes (KitaFöG) vor (Mediathek), die AfD forderte mit besonders entschiedenen Worten Dinge, die beim Schulschwimmen bereits umgesetzt werden (Mediathek) und die Linken forderten den Ausbau der Gemeinschaftsschulen (Mediathek).
Der Wissenschaftsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses debattierte in dieser Woche über die Frage, wer sich das Studieren in Berlin noch leisten könne. Eines der Kernthemen waren die explodierenden Mieten in der Stadt (Videoaufzeichnung des Ausschusses noch nicht online verfügbar).
Ein Interview
Am Freitag habe ich mal die Rolle gewechselt und wurde selbst für einen Podcast interviewt (ich verlinke, wenn er online ist). Es ging um Elternmitwirkung und eine der Fragen war: „Wie misst man die Wirksamkeit in so einem Ehrenamt?“
Meine Antwort: man kann sie nicht messen. Man kann am Ende eines Prozesses aber feststellen, dass man irgendwann mal losgegangen ist, weil man sonst nicht da stünde, wo man jetzt ist. Was aber nicht bedeutet, dass man da steht, wo man am Anfang hin wollte.
Ist das „liefern“?
Berufsmessen
Am Samstag hatte ich die Freude, junge Leute auf der „Stuzubi“ zu möglichen Studien- und Berufswegen zu beraten. Ist das „liefern“? Nicht direkt, aber es ist im besten Fall „ermächtigen“ und das fühlt sich schon ziemlich gut an.
Dennoch und gerade deshalb.
Würde man als Controller auf diese „Veranstaltung“ namens Demokratie draufschauen, wäre sie ziemlich ineffizient. Aber wohin kämen wir als Gesellschaft ohne Debatten und Aushandlungsprozesse? Ohne die Möglichkeit der Selbstbeteiligung, des Beteiligtwerdens (das sind zwei sehr verschiedene Dinge) und des Gehörtwerdens? (was nochmal was anderes ist).
Natürlich müssen eine demokratische Gesellschaft und ihr Staat zu Ergebnissen kommen, aber was sind Ergebnisse wert, die von zu wenigen getragen werden? Wenn irgendwer „liefert“, was niemand wirklich bestellt hat, oder wollen kann? Und was sagt das dann über die Qualität von Debatten aus?
Persönlich kann ich gut damit leben, wenn nur ein Teil dessen umgesetzt wird, was ich selbst gern hätte, wenn der Minimalkonsens dennoch bleibt, dass „wir“ uns am Ende, oder währenddessen nicht die Köppe einhauen. Und das „wir“ meint die kleine Schulgemeinschaft genauso, wie die „große Gesellschaft da draußen“.
Dieser Minimalkonsens ist so unfassbar viel wert. Er darf nicht nur verteidigt werden, sondern muss immer wieder erkämpft werden. So, wie Eltern- Schüler:innen und Lehrkräftevertretende seit 1975 dafür kämpfen, ernst genommen zu werden. Diese Auseinandersetzung kann gar nicht enden, weil sich das „wie?“ permanent neu stellt.
Es ist jede Stunde Arbeit nach Feierabend wert, diese Auseinandersetzungen führen zu können. Es ist jede Debatte im Abgeordnetenhaus wert, wenn sie auch zu sehr nach langen Nachtsitzungen mit vielen Kompromisspapieren klingt.
Ich hab ein paar Texte in dieser Woche nicht „geliefert“, aber ich durfte an der Debatte teilhaben und wurde dabei gehört. Es rufen Menschen an, schreiben mir, wollen was von mir hören, oder dass ich irgendwo hin komme. Das ist schon ziemlich groß und privilegierend. Danke.
Der nicht endende Auftrag bleibt: dafür sorgen, dass Menschen und ihre Ideen gehört und ihre Interessen berücksichtigt werden.
Episode 105 von „Herr Fechner lädt zum Gespräch“ ist in Arbeit.
Was kommt rein in die Mappe für die kommende Woche?
In der kommenden Woche werde ich mein Mikro wieder vor Menschen aufstellen, die dann in den kommenden Wochen hier zu hören sein werden und möglicherweise wird auch der eine oder andere der noch offenen Texte fertig. Ich freue mich drauf.
Was war sonst noch los?
„Mental health matters – Ein Gastbeitrag von Louis Krüger.
Der schulpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus skizziert Maßnahmen für gesündere Schulen. Von weniger Notendruck und Klausuren hin zu mehr Mitbestimmung und Resilienzförderung: Krüger fordert radikale Veränderungen im Schulsystem, damit alle Schüler*innen sich in der Schule sicher und wohlfühlen können.
„Weil sie Russisch lernen soll: Maya fährt für ihre Schule 90 Minuten quer durch Berlin“
Täglich pendelt Maya anderthalb Stunden durch die Stadt zum Gymnasium. Ein Artikel über ihre Erfahrungen und Gefühle – von der langen Fahrt bis zu der Frage, ob sich der Aufwand lohnt.
„Berliner Schülerin Lilly gewinnt 10.000 Euro für ihre Zivilcourage“
Die 15-jährige Lilly wird mit dem Preis der Stiftung „Filippas Engel“ ausgezeichnet. Sie hatte nach einer Messerattacke Erste Hilfe geleistet. Die Ehrung, dotiert mit 10.000 Euro, würdigt ihren mutigen Einsatz und soll andere Jugendliche zu gesellschaftlichem Engagement ermutigen.
„45 Schulen ohne Chef: Warum Berlin die Schulleiter ausgehen“
In rund 45 Berliner Schulen sind Leitungsposten vakant. Der Bericht nennt vielfältige Gründe: zu geringe attraktive Aufstiegschancen, hohe Arbeitsbelastung und langwierige Verfahren. Wie lange Stellen unbesetzt bleiben, wird von der Bildungsverwaltung nicht einmal erfasst.
„Berlins Schulhöfe sind zum Teil heißer als der Alexanderplatz“
Laut Messungen der Deutschen Umwelthilfe heizen sich viele Schulhöfe stärker auf als der Innenstadt-Hotspot Alexanderplatz. Auf einem Spandauer Schulhof wurden über 40 °C gemessen. Die DUH fordert mehr Entsiegelung und Grün auf Schulgeländen, damit Kinder an Hitzetagen besser geschützt sind.
„Wohnungsnot bei Studis und Azubis: Jung, arm, wohnungslos“
Studierende und Auszubildende finden zum Semesterstart oft kein bezahlbares Zimmer. Tausende stehen auf Wartelisten der Wohnheime; viele Betroffene pendeln notgedrungen weit oder wohnen übergangsweise bei Freunden. Manche erwägen sogar, das Studium abzubrechen oder die Stadt zu wechseln. Ein Alarmzeichen für Berlins Attraktivität als Bildungsstandort.
Ein paar Veranstaltungsempfehlungen für die nächsten Wochen:
Berlin-Tag | 11. Oktober 2025
„Deutschlands größte Berufs- und Informationsmesse im Bildungsbereich. Berlin sucht schlaue Leute! Für Schulen, Kitas und Jugendämter!“ Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie lädt Sie ein zu Deutschlands größter Berufs- und Informationsmesse im Bildungsbereich:
11. Oktober 2025 | 9 – 15:30 UHR (Weitere Informationen und Anmeldung)
IHK-Produktmesse Education am 7.10.2025
Die Produktbörse Education bringt Schulleitungen, Lehrkräfte und pädagogisches Fachpersonal mit Unternehmen, Startups, Non-Profit-Organisationen und weiteren Akteuren zusammen, die bewährte, aber auch innovative Lösungen für den Bildungsbereich anbieten. Ziel ist es, wertvolle Partnerschaften zu fördern, innovative und auch bewährte Produkte und Konzepte vorzustellen und so die Berliner Bildungslandschaft nachhaltig zu bereichern (Link).
„Die Veranstaltung dient der Vernetzung und dem Austausch von Kita- und Schulfördervereinen in Tempelhof-Schöneberg. Ganz besonders freuen wir uns, dass Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann die Schirmherrschaft für unsere Veranstaltung übernimmt. Wir geben einen 30-minütigen Input zu den Themen Potenziale von Fördervereinen und Mitgliedergewinnung.“ (Link).