CN: Mobbing, Gewalt.
Für Menschen, die vor den 2000er Jahren zur Schule gegangen sind, scheint es mitunter etwas merkwürdig zu klingen, wenn man über Schulsozialarbeit spricht und darüber, dass es gut, sinnvoll und notwendig ist, dass es sie gibt. Da schwingen dann auch nicht selten Vorurteile wie das einer angeblichen Verweichlichung der Gesellschaft mit und ich möchte dem mit einer – bitte erlauben Sie mir das – persönlichen Erfahrung antworten.
Ich bin in meiner eigenen Grundschulzeit regelmäßig von Mitschülern gemobbt worden. Mit „regelmäßig“ meine ich „täglich“ und es war so belastend, dass ich nicht nur ungern zur Schule gegangen bin, sondern auch so nachhaltig, dass meine Lektion für die Zeit an der weiterführenden Schule war „bleib möglichst unauffällig“. Naja, das blieb ich dann auch, aber zum Preis des Einzelgängertums zumindest im schulischen Umfeld.
Was mir erst sehr viel später bewusst wurde:
- Das Problem waren nicht meine Mitschüler T. und R. Die beiden hatten offenbar ihre eigenen Baustellen, mussten ihre Überforderung damit kompensieren und aus irgendeinem Grund hatten sie mich dafür „auserkoren“.
- Das Problem war auch nicht ich. Opfer sind nie die Schuldigen, auch, wenn noch so oft – beispielsweise in Nachrichtenmeldungen – behauptet wird, eine Person sei von einer anderen angegriffen worden, weil diese sich irgendwie verhalten hätte, oder irgendwie „eigenartig“ sei.
- Diese Probleme entstehen nicht unter Kindern. Kinder spiegeln die Gesellschaft, die sie erleben und insofern sind auch Mobbing und co. zwar Probleme im Schulkontext, aber diese entstehen nicht dort.
Die für mich nachhaltigste Einsicht aber (und das ist ein Gedanke, der mich dieser Tage, Monate und Jahre auch mit Blick auf Erwachsene regelmäßig begleitet): das größte Problem sind nicht die „Mobber“. Das viel größere Problem ist das Verhalten derer, die so tun, als hätten sie für die Lösung der Konflikte in ihrem Umfeld keine Verantwortung, weil es sie ja vermeintlich nicht betrifft.
Diejenigen, die wegschauen, weil es sie vermeintlich nichts angeht, weil sie sich vom Konflikt nicht mitgemeint fühlen. Die, die „Zivilcourage“ höchstens dann zu leben bereit sind, wenn es Applaus zu ernten gibt, aber auf keinen Fall, wenn es bedeutet, negativ dafür beäugt zu werden, dass man sich auf die Seite eines/einer Schwächeren stellt. In meinem damaligen Fall waren es auch Lehrkräfte, deren schulterzuckende Antwort „hab ich nicht mitbekommen“ war oder „dann wehr Dich!“. Diejenigen, die sich das Thema mit einem „Jetzt gebt euch die Hand und dann ists wieder gut“ vom Hals schaffen wollten, als würde das irgendwas lösen.
Eine Schulsozialarbeit wäre damals womöglich sehr hilfreich gewesen – für T., R. und mich gleichermaßen, aber auch für die Lehrkräfte und den Klassenverband insgesamt.
Ich bin auch vor dem Hintergrund der heutigen gesellschaftlichen Konflikte dankbar, dass die Notwendigkeit von Schulsozialarbeit gesehen wird. Umso mehr bestürzt es mich aber, dass der Berliner Senat auch in diesem Bereich des Landeshaushalts gekürzt hat.
Schulsozialarbeiter:innen leisten eine wichtige Arbeit in den Berliner Schulen. Sie helfen, ein gutes Schul- und Klassenklima zu entwickeln. Sie sind ansprechbar, so dass kein Kind die Sorge haben muss, niemanden an der Schule zu finden, der im Zweifel auch einfach nur zuhört. Sie stehen den Kindern und Jugendlichen, den Eltern, aber auch den Pädagoginnen und Pädagogen der Schulen und den Schulleitungen mit einem breiten Hilfsangebot zur Verfügung.
Wir leben in einer Welt, in der es unter Erwachsenen wieder „in Mode kommt“, Konflikte mit der Faust und der Waffe auszutragen. Insofern ist es eigentlich nicht erstaunlich, dass sich die dahinter stehende Haltung auf Kinder überträgt. Das für mich Erstaunliche ist eher die Verwunderung darüber, dass das passiert.
Schulsozialarbeiter:innen sind eine Instanz, die die Kinder und Jugendlichen daran erinnert, dass Konflikte gewaltfrei gelöst werden können* und die ihnen die Mittel dafür an die Hand gibt.
Es ist ein Knochenjob in vielerlei Hinsicht. Insofern an dieser Stelle:
Danke dafür!
*was nicht implizieren soll, dass alle weiteren Schulbeschäftigten das nicht auch wären und sein müssten. Auch Lehrkräfte, Erzieher:innen und das weitere Personal an Schulen leisten eine unverzichtbare Arbeit. Danke!