Die Idee des schulischen Ganztags hat, obwohl (zumindest auf dem Papier) alle Berliner Schulen Ganztagsschulen sind, gleich mehrere Probleme. Eines davon ist die immer noch sehr weit verbreitete Vorstellung, „Ganztag“ wäre Unterricht mit anschließender „Hortbetreuung“ am Nachmittag und vielleicht die eine oder andere AG sowie das Mittagessen in der Schule und nicht etwa ein abgestimmtes Konzept zur Rhythmisierung von Lernformaten, Lernphasen, Pausenzeiten, Lernangeboten und Möglichkeiten individueller Förderung. Die Folge ist, dass die Berliner Schulen allzu häufig hinter ihren Möglichkeiten bleiben.

Eines der anderen Probleme ist eine zunehmende Deprofessionalisierung durch immer mehr Quer- und Seiteneinsteigende in Berliner Schulen. Diese können Schulgemeinschaften bereichern und nach vorne bringen, das Konzept funktioniert aber nur dann, wenn den Quereinsteigenden auch genügend Fachkräfte und Angebote an die Seite gestellt werden, die beim Anlernen unterstützen.

Unter Anderem für Ersteres hat die Bildungsverwaltung vor Jahren die „Serviceagentur Ganztag“ damit beauftragt, Schulen und Fachkräfte fit zu machen für das Konzept „Ganztag“ und Beratungen anzubieten, damit Schulen herausfinden, wie sie ihr jeweliges Ganztagskonzept individuell aufstellen. Bei rund 900 Schulen in Berlin ein bleibender Auftrag, den sie seitdem wahrnimmt. (Hörtipp: Vor rund zwei Jahren sprach ich mit Dr. Anna Schütz und Sabine Hüsemann von der Serviceagentur bei mir im Podcast über ihre Arbeit).

Ebenfalls vor ein paar Jahren hat der Berliner Senat ein „Begleitkonzept für Quereinsteigende im Ganztag“ aufgesetzt und mit rund 330.000€ pro Jahr unterlegt. Die Begründung hierzu im Entwurf des aktuellen Haushaltsplans des Senats:

„Im Rahmen des „Begleitkonzepts für Quereinsteigende im Ganztag“ findet eine Qualifizierungsreihe zu Anleitungsprozessen in der pädagogischen Arbeit an Berliner Ganztagsschulen für Berufs- und Quereinsteigende und ihre Anleitenden statt. Hintergrund ist, dass immer mehr angehende Fachkräfte in der pädagogischen Arbeit an Berliner Ganztagsschulen aus verschiedenen Quereinstiegskontexten kommen oder sich in berufsbegleitender Ausbildung befinden. Sie sind gleichzeitig sowohl vollwertige Kollegin oder vollwertiger Kollege als auch Lernende. Sie brauchen die Unterstützung, Anleitung und Beratung einer erfahrenen Fachkraft, die den Berufseinstieg in einen angeleiteten Prozess überführt und so nicht zuletzt auch die Arbeitszufriedenheit der dringend benötigten Pädagoginnen und Pädagogen erhöht.“

Ebenfalls relevant für den schulischen Ganztag: die Mittagessenverpflegung in den Schulen. Die Bildungsverwaltung beauftragte die „Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Berlin“.
Der Aufrag unter Anderem: die „Verstetigung und bedarfsorientierte Weiterentwicklung von „bislang erarbeiteten Strukturen und Instrumenten eines unabhängigen Informations-, Kommunikations- und Beratungsnetzwerkes“ […] Berliner Ganztagsschulen sollen im Rahmen ihrer Ganztagsschulentwicklung bei der Gestaltung eines gesundheitsfördernden und nachhaltigen Verpflegungsangebotes unterstützt werden.“ (Link).

Spardruck des Senats

Da auch die Bildungsverwaltung nicht umhin kommt, zu den Einsparzielen des Senats beizutragen und rund die Hälfte des Haushalts in Form von tarifierten Personalkosten nicht an den Einsparungen „beteiligt“ werden kann, fällt der Blick bei der Frage von Einsparungen in der Regel sehr schnell auf externe Angebote, die durch freie Träger, Stiftungen und Andere erbracht werden.

Der dem Parlament vorliegende Haushaltsentwurf der Bildungsverwaltung für die Jahre 2026 und 2027 hat es in sich: die Serviceagentur Ganztag wird komplett aus dem Leistungsportfolio genommen. Ebenso die „Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Berlin“. Das Budget für das „Begleitkonzept für Quereinsteigende im Ganztag“ wird um über 90% von zuletzt 334.000€ (2025) auf 21.000€ (2026) radikal gekürzt.

Anbieter, die ähnliche oder gleiche Leistungen erbringen, finden sich im vorliegenden Entwurf und dem diesbezüglichen Änderungsantrag nicht.

Da die Ganztagsschule auch den expliziten Auftrag hat, Bildungsgerechtigkeit zu fördern, indem sie Bildung und Elternhäuser unabhängiger voneinander macht, sind diese Kürzungen bei den Beratungsleistungen für die Berliner Schulen nicht „nur“ eine bildungspolitische Entscheidung, sondern auch eine sozialpolitische Festlegung.

Weiterhin werden Angebote wie „Fit für die Schule Plus Berliner Ferienschulen“ gestrichen, die sich für die Sprachförderung und Integrationschancen von Kindern und Jugendlichen einsetzen.

Ein an diesem Wochenende bekannt gewordener Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und SPD zum Haushaltsentwurf der Bildungsverwaltung machte diese Kürzungen nicht rückgängig. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) und die Fraktionen von CDU und SPD scheinen sich insofern einig zu sein, das so zu wollen.

Trägerlandschaft ensetzt

Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, die auch Trägerin der Serviceagentur Ganztag ist, erklärte zu den vorgesehenen Sparmaßnahmen in einer öffentlichen Stellungnahme:

„Unterstützung und fachliche Rahmung der Gewaltprävention und Demokratiebildung an Schulen fallen weg. Sprach- und Kompetenzförderung für geflüchtete Kinder und Jugendliche kann nicht mehr umgesetzt werden und Brückenangebote für Kinder und Jugendliche ohne Schulplatz entfallen. Angebote zur Qualitäts- und Profilentwicklung der Berliner Inklusiven Ganztagsschulen fallen zum Start des Rechtsanspruchs (01.01.2026, Anm.) weg. Die Förderung zentraler Zukunftskompetenzen durch Kulturelle Bildung an Berliner Schulen kann sich nicht mehr flächendeckend und sichtbar in der Schullandschaft entfalten.“ (Quellenlink)

Auch von anderen Trägern und Verbänden war am Wochenende Unmut zu entnehmen.

Auch die Demokratie- und Gesellschaftsbildung ist massiv betroffen

Die Kürzungen sind auch im Bereich der Gesellschafts- und Demokratiebildung einschneidend. Auffällig sind dabei Kürzungen bei Angeboten der interkulturellen Verständigung. Komplett gestrichen wurden beispielsweise die Angebote der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA; Interview mit Geschäftsführer Dervis Hizarci aus 2024), des Projekts „Meet to respect“, die „Gartenstadt Atlantic“, Angebote des IBIM e.V., des DEVI und verschiedene Projekte im Bereich der Prävention von islamistischem Antisemitismus. Zwar kamen neue Träger hinzu, allein das Gesamtauftragsvolumen ist jedoch deutlich geringer, als in den Vorjahren.

Auch an Projekt gegen Gewalt an Frauen und zur Sicherung des Kindeswohls wird gespart.

Die Angebote der „Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen, BIG e. V.“ werden ersatzlos gestrichen. Deren Leistungen sollten bisher „zur Sicherung des Kindeswohls bei häuslicher Gewalt“ beitragen (Siehe Haushaltsplan 2024/2025).

Fortsetzung im Bildungsausschuss

Am kommenden Donnerstag (16.10.2025) tagt der Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses und wird sich im Rahmen der Haushaltsberatungen wohl auch mit diesen Vorhaben befassen. Es dürfte eine diskussionsreiche Sitzung werden. Die Berliner Stadtgesellschaft ging bereits am zurückliegenden Freitag (10.10.2025) gegen die Kürzungen auf die Straße.

Quellen:

Haushaltsplan des Landes Berlin, Einzelplan 10, Jahre 2024/2025

Haushaltsentwurf des Berliner Senats, Einzelplan 10, Jahre 2026/2027

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und SPD (Bezug auf Kapitel 1010, Titel 68569)

Fotos: © Marco Fechner, 2025