„In diese Kita möchte ich mein Kind gern schicken!“
Der etwas sperrig und technisch anmutende Titel verrät es schon fast: als Vater bin ich nicht die primäre Zielgruppe dieses Fachbuchs, sondern Architekten, Träger und Verantwortliche der frühkindlichen Bildung. Aber: man könnte es auch unter dem Titel „In diese Kita möchte ich mein Kind gern schicken!“ verlegen und es wäre genauso treffend beschrieben.
Die Frage, wie Bildungseinrichtungen baulich konzipiert werden müssen, um Kindern gerecht zu werden, ihnen eine anregende Umgebung zu bieten, gleichzeitig Rückzugsräume zu ermöglichen und ein guter Arbeitsplatz für die Pädagog:innen zu sein, ist eine, die mich auch im Ehrenamt regelmäßig beschäftigt und dieses Buch liefert viele Antworten.
Es erklärt die mitunter widersprüchlichen Anforderungen an Kitas im Bezug auf bauliche, technische und pädagogische Fragen, baut Brücken zwischen den Disziplinen und formuliert Lösungen. Wie gestaltet man Kitas kreativ, wenn behördliche Auflagen sogar den Abstand zwischen Handtuchhaltern regeln?
Kindheiten
Die Orte, an denen Kinder spielen, lernen und ihre ersten Freundschaften schließen, prägen ihr Weltbild mit. Bis heute erinnere ich mich (zumindest an Teile) meiner eigenen Kindergartenzeit in der früheren DDR und habe diese häufig mit der (nunmehr ebenfalls in der Vergangenheit liegenden) Kitazeit meiner eigenen Kinder verglichen.
Auch die Unterschiedlichkeit der Gebäude und Umgebungen spielt in diesen Vergleichen eine Rolle.
In den knapp 30 Jahren „dazwischen“ ist sehr viel passiert, aber auch in kürzeren Abständen lassen sich Veränderungen erkennen. Die Corona-Pandemie seit 2020 hat auch im Bereich der Planungen von Kitas, Krippen und Kindergärten Auswirkungen gehabt, bzw. Bedarfe gezeigt, auf die die Autor:innen in dieser zweiten und deshalb erweiterten Auflage aufmerksam machen und Lösungen zeigen möchten.
Architektur ist nicht neutral.
Architektur erzählt viel darüber, wie wir als Gesellschaft auf Kinder und Kindheiten schauen. Nicht nur, aber auch in Kindergärten. Wird ihnen ein sicherer Raum gegeben, um die sie umgebende Welt zu entdecken? Werden sie ernst genommen als Menschen mit eigenen Bedürfnissen, oder sind sie einfach „untergebracht“?
Wird ein Kindergarten in seine Umgebung und vielleicht sogar in deren historischen Kontext eingebettet, oder wird er einfach nur „hingestellt“, weil es „Bedarf nach Plätzen“ gibt?
Welche Rolle spielt das einzelne Kind, welche Rolle spielt es als Mitglied seiner Gruppe und wie verhalten sich Individuum und Gruppenmitglied zueinander? Welche Rolle spielen die Pädagog:innen? Auch die Architektur formuliert Antworten auf diese Fragen mit. An diesen und vielen anderen Punkten setzt dieses Handbuch an.
Es geht hier nicht nur um Baupläne und technische Lösungen, sondern um eine Haltung zu Kindern und deren Bedürfnissen.
Besonders eindrucksvoll finde ich den weiten Blick auf Kindertageseinrichtungen in vielen verschiedenen Ländern rund um den Globus und die sich daraus (und ihrer jeweiligen Umgebung) ergebenden Unterschiede in der Architektur:
Vom Waldkindergarten mit Solarpaneelen auf dem Dach und Baumhäusern in Neuseeland über den Kindergarten in einer ehemaligen Mälzerei in Berlin-Friedrichshain bis zum geradezu futuristisch anmutenden „Zi Ling Changxing Kindergarten“ in China ist alles dabei und (als Fotograf nebenbei bemerkt) sind die vielen Abbildungen im Buch auch fotografische Hingucker.
Und trotz vieler Unterscheidungen zwischen den Einrichtungen ist vielen von Ihnen der Blick auf Nachhaltigkeit gemeinsam, der sich sowohl in der Wahl vieler Baumaterialien zeigt, aber auch darin, dass der „Bau im Bestand“ einen eigenen Abschnitt im Buch hat.
Die vielen Fotos, Zeichnungen und Erläuterungen machen das Buch sehr lebendig. Ich konnte mir beim Lesen mehrmals sehr gut vorstellen, wie meine Kinder durch die häufig sehr hellen und liebevoll gestalteten Einrichtungen laufen und in ihnen spielen.
Für mich ist dieses Handbuch nicht nur für Architekt:innen oder Entscheidungsträger:innen spannend, es ist auch für Eltern ein Augenöffner. Es macht eindrücklich darauf aufmerksam, dass die Gestaltung von Kitas ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist, dass Architektur genauso wichtig ist, wie das pädagogische Konzept und dass es die Auseinandersetzungen wert ist, wenn es um die Räume geht, in denen Kinder leben und aufwachsen.









Handbuch und Planungshilfe für Krippen, Kitas und Kindergärten
Herausgegeben von Natascha Meuser
Mit einem Grußwort von Stefan Spieker und Beiträgen von Ingeborg Becker-Textor, Anja Behnert, Detlef Diskowski, Andrea Rausch, Natascha Meuser, Elisa Steinfeldt, Danilo Suhrweier und Arne Süberkrüb.
DOM Publishers, 672 Seiten, 88,00€
2., erweiterte Auflage 2024
ISBN 978-3-86922-951-5
Fotos in diesem Beitrag: © Marco Fechner, 2025
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