Ein Morgen im Leben eines jungen Menschen: Augen auf, Handy an, dann scrollen durch Instagram und den TikTok-Feed. Bilder von Kindern aus Gaza. Ein Bild von Selenskyj – seit 3 Jahren Krieg in der Ukraine und kein Ende in Sicht. Luisa Neubauer rantet über Merz: Kein Klimaschutz trotz Hitze, Überschwemmungen und Waldbränden?!
Seit Corona ist einfach alles Krise im Leben junger Menschen. Das bestätigen die Ergebnisse der COPSY-Studie, welche Anfang Dezember 2024 veröffentlicht wurden. Junge Menschen haben im Zuge der vielen Krisen beispielsweise Angst, dass sich ihre Familien weniger leisten können und ihr Leben insgesamt schlechter wird. Besonders fatal: Die Werte zu psychischen Auffälligkeiten unter jungen Menschen verbesserten sich im Vergleich zu 2023 nicht, sie liegen weiterhin fünf Prozent über dem Wert vor Corona. Auf das Schulsystem gerechnet sind das fünf Kinder pro Klasse. Expert*innen fordern daher eine verbesserte Versorgung und eine nationale Präventionsstrategie für junge Menschen.
Als schulpolitischer Sprecher der Grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin arbeite ich mit meinem Team seit über einem Jahr unter dem Motto „MentalHealthMatters“ zu Mentaler Gesundheit in Schulen. Bei unserer Fachtagung mit zahlreichen Expert*innen, Lehrkräften und Menschen aus der Zivilgesellschaft wurde klar: Um eine Verbesserung der mentalen Gesundheit junger Menschen zu erreichen, sind vor allem strukturelle Veränderungen im Schulsystem durch Schulentwicklung entscheidend. Es braucht radikale Veränderungen für mehr Selbstwirksamkeit und Beziehungsarbeit sowie weniger Leistungsdruck und Stress für alle Akteur*innen an Schule.
Durch Studien wissen wir: Schulinterne Risikofaktoren wie Klausurenstress und Notendruck können Schüler*innen psychisch belasten. Wie wäre es also, wenn wir Noten und Klausuren abschaffen würden und stattdessen auf Feedbackgespräche setzen? Klingt utopisch? Ist es nicht, wie einige innovative und ausgezeichente Schulen in Deutschland zeigen. Um Schule gesünder zu gestalten, ist es wichtig, einmal ungebremst zu träumen: Wie wäre es, wenn Schulen selbst entscheiden könnten, wann ihr Unterricht beginnt? Wie wäre es, wenn Hausaufgaben in festen Lernzeiten erledigt werden? Und Lehrkräfte dank Supervision mit Herausforderungen nicht allein bleiben? All das ist möglich. In meinem Konzept „Mentale Gesundheit in Schulen“ stelle ich Maßnahmen vor, die Politik jetzt umsetzen kann, um Schulen auf ihrem Weg zu einem gesunden Schulalltag zu unterstützen.
Ich möchte verstärkt demokratische Schulentwicklung an Schulen stärken, um jungen Menschen Selbstwirksamkeit zu ermöglichen und ihre Resilienz zu fördern. Denn der aktuelle Schulalltag ist oft fremdbestimmt, sodass Schüler*innen sich zu selten als selbstwirksam erleben können. Schüler*innen sollen mitentscheiden können, was sie in der Schule lernen wollen und selbstbewusst eigene Entscheidungen treffen und Projekte auf die Beine stellen können. Die Schulinspektionen soll zudem die Mentalen Gesundheit als Qualitätsmerkmal aufnehmen und so sicherstellen, dass Gesundheitsförderung an Schulen qualitativ hochwertig ist und stetig verbessert wird.
Die COPSY-Studie nennt Soziale Medien als einen zentral belastendenden Faktor für junge Menschen. In meinem Konzept fordere ich dahingehend die Entwicklung von Mindeststandards in der digitalen Welt sowie Maßnahmen durch die Bildungsminister*innenkonferenz. Hier geht es nicht um pauschale Verbote von Handys, sondern um das Erlernen digitaler Kompetenzen und Selbstfürsorge im digitalen Alltag.
Für die jungen Menschen, die bereits psychisch erkrankt sind, möchte ich eine bessere Verzahnung der Hilfsangebote in Berlin erreichen. Über ein standardisiertes Angebot für Gesundheitsuntersuchungen an Schulen soll zudem der Zugang zu Hilfen für Lernende erleichtert werden. Darüber hinaus möchte ich, dass Standards für die Nachsorge entwickelt werden, wenn Betroffene aus der psychiatrischen Behandlung in den Schulalltag zurückkehren.
All das muss untermauert werden durch eine breitere Ausbildung. Es ist unabdingbar, dass sowohl pädagogisches Personal in Ausbildung als auch Personal im Schuldienst mehr diagnostisches Wissen erhalten, um psychische Auffälligkeiten früher zu erkennen und jungen Menschen den Zugang zu Hilfe zu ermöglichen.
Wir brauchen einen Richtungswechsel in der Berliner Schulpolitik: hin zu einer Schule, die schützt, stärkt und verbindet. Eine Schule, die das Wohlbefinden in den Fokus rückt. Denn: Alle Schüler*innen haben das Recht, sich in der Schule sicher und wohlzufühlen. Und jede Lehrkraft hat ein Recht auf ein gesundes Arbeitsumfeld.
MentalHealthMatters!

Louis Krüger ist schulpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis ’90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.
Foto: © Marco Fechner