Die Berliner Herbstferien haben begonnen.

Wenn Sie es noch nicht getan haben, wäre jetzt ein letzter guter Moment, die Brotdosen aus den Ranzen der Kinder zu holen. Gern geschehen.

Da in den Ferien keine schulische Gremienarbeit stattfindet, sind diese Zeiten bei mir traditionell immer eine Phase der Vorbereitung künftiger Termine, aber auch der Standortbestimmung: „wo steht die bildungspolitische Debatte derzeit?“, „Wo stehe ich derzeit?“ und manchmal auch „Was bin ich eigentlich gerade?“.

Letzteres umso mehr, seit ich die Frage „Wie viele Rollen hast Du in diesem Bildungswesen?“ seit Längerem eigentlich nur noch mit „Ja“ beantworten kann: Vater, Bürger, Elternvertreter, Podcaster, Blogger, Kolumnist, Netzwerker… Immer zwischen den Stühlen und bisweilen auch auf allen gleichzeitig.

Aufträge

Was ist mein „Auftrag“, den ich daraus ableite und der diese Rollen füllt, wo sind dessen Grenzen, wo ergänzen sich meine Rollen und wo widersprechen sie sich? Was ist meine Verantwortung, die aus der Kombination dieser verschiedenen Rollen erwächst? In dieser Zeit, in der die gesellschaftlichen Debatte, Themen und Kategorien durcheinanderfliegen, ist das noch schwerer zu beantworten.

In dieser Woche habe ich bei der Bildungsverwaltung gefragt, was die Senatorin von der „Stadtbild“-Aussage des Bundeskanzlers hält. Verrückte Zeiten. Mein Plan war ursprünglich mal, mich in der schulischen Elternvertretung einzubringen, aber diese Zeiten sind völlig maßlos und sprengen bisweilen jede Kategorie und Rolle.

Die Antwort der Bildungsverwaltung findet sich übrigens hier.

Sorgen und Hoffnungen

Ich mache mir Sorgen um das Zusammenleben in dieser Gesellschaft. Um Freund:innen und Bekannte meiner Familie und mir, die für den Bundeskanzler ein „problematisches Stadtbild“ erzeugen und die seit Jahren und Jahrzehnten mit Alltagsrassismen und anderen Diskriminierungen zu kämpfen haben, die nun „von ganz oben“ auch noch bestärkt werden.

Ich mache mir Sorgen um viele liebe Menschen, die ich in den zurückliegenden Jahren in der Berliner Schullandschaft kennenlernen durfte und die ebenfalls für eine funktionierende Gesellschaft arbeiten, die zumindest den ernstgemeinten Anspruch erhebt, niemanden zurückzulassen. Um Freund:innen, die zur queeren Community gehören, oder aus anderen Gründen nicht in das kleine Karo des Herrn Merz und seiner Herrenrunde passen und um die Zukunft unserer nachfolgenden Generation.

Das ist keine abstrakte Debatte über juristische Feinheiten, sondern es geht um das konkrete und alltägliche Miteinander von Menschen, das nicht nur bestimmt, wie wir uns im Alltag begegnen, sondern auch, ob wir als Gesellschaft zukunftsfähig sind.

Für diese Themen gibt es keine abgrenzbare Zuständigkeit, wie es die Antwort der Bildungsverwaltung auf meine Anfrage suggerieren möchte. Diese Diskriminierungen und Pauschalierungen treffen die Menschen beispielsweise in den Schulen auch dann, wenn der Bundeskanzler nicht für die Schulen zuständig ist und die Bildungssenatorin nicht für die Äußerungen des Kanzlers.

Die Frage ist: wer übernimmt Verantwortung dafür, dass wir miteinander sprechen und nicht nur übereinander?

Wer erinnert sich und gegebenenfalls andere daran, dass die Menschenwürde im Grundgesetz nicht im Konjunktiv formuliert ist? Da steht nicht „Die Würde aller, die nicht arm, migrantisch, queer, oder beeinträchtigt sind, ist unantastbar“ und auch nicht „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, außer die, an denen sich der Kanzler und andere Akteure im Stadtbild stören.“

Diese Debatte ist keine parteipolitische Debatte, sondern eine grundsätzliche Debatte zur Frage, wie „wir“ uns als Gesellschaft mit ihren vielen verschiedenen Millieus begegnen wollen. Sie berührt eine Kernfrage menschlichen Miteinanders. Im öffentlichen Raum, im „vorpolitischen Raum“, wie den Elternvertretungen, aber auch in der politisch-medialen Aushandlung unseres Zusammenlebens.

Ich möchte keine Debatte über „Brandmauern“ führen, sondern darüber, wie das Feuer wieder gelöscht werden kann, das mittlerweile auf beiden Seiten der „Brandmauer“ brennt.

Aber: ich habe noch aufrichtige Hoffnung, wenn ich erlebe, wie viele Menschen die Stimme erheben, sich im Rahmen ihrer unterschiedlichen Möglichkeiten gesellschaftlich engagieren und sich bemühen, Menschen zusammenzubringen, ohne dies beispielsweise davon abhängig zu machen, wo Menschen herkommen, wen und wie sie lieben, wie ihre gesundheitliche Verfassung ist, oder ob sie armutsbetroffen sind.

Und ich hoffe, dass die politisch Verantwortlichen ihre Verantwortung dafür endlich begreifen und beginnen, das Feuer zu löschen, statt es „inhaltlich stellen“ zu wollen. Genügend Löschhelfer würden sie in dieser Gesellschaft finden.

Und von manchen im Politikbetrieb würde ich mir eine Antwort auf die Frage wünschen, warum sie „Verantwortung“ für dieses Land übernehmen wollten, wenn sie für weite Teile seiner Einwohner:innen so wenig Interesse und Wertschätzung übrig haben.

Bildung

Zurück zum weniger Grundsätzlichen, aber Existenziellen (hach!): der Bildung. In dieser Woche wurde der neue IQB-Bildungstrend veröffentlicht und die Ergebnisse sind niederschmetternd, aber wenig überraschend. Die deutschen Neuntklässler:innen sind in den Fächern Mathematik, Chemie, Physik und Biologie nochmal hinter den Stand von 2012 und 2018 gefallen.

Schwacher Trost: die Berliner Ergebnisse fallen weniger stark, als die der anderen Bundesländer. Woran das liegt, kann der IQB-Bericht nicht beantworten (das war aber auch nicht sein Auftrag). Das wird insofern noch zu debattieren sein. Allerdings: die mögliche Fallhöhe war aber auch nicht sehr hoch, wenn man berücksichtigt, dass Berlin seit Langem in den Länderrankings regelmäßig unter den letzten drei bis vier Plätzen landet.

Auffällig aber auch: der Abschwung zieht sich bundesweit durch alle Millieus und Schulformen gleichermaßen und die befragten Jugendlichen klagen über Belastungen, die nicht direkt mit der Schule zu tun haben. Hierüber habe ich im „Tagesspiegel“ geschrieben „Katastrophale Mathe-Ergebnisse in Berlin: Hört den Jugendlichen endlich zu!“

Der ausführliche Bericht des IQB findet sich hier.

Aus dem Abgeordnetenhaus

Der Bildungsausschuss im Abgeordnetenhaus hat sich in einer Marathonsitzung von über 9 Stunden mit dem kommenden Haushalt der Bildungsverwaltung befasst (der Videomitschnitt der Abgeordnetenhausverwaltung ist aber noch nicht online). Was die Koalition unter Anderem bei der Finanzierung des schulischen Ganztags und bei der Demokratiebildung vorhat, habe ich in der zurückliegenden Woche hier aufgeschrieben.

Was steht in der nächsten Woche an?

Anfang Oktober war ich zu Gast bei „Die Schule brennt“, dem Bildungspodcast des SWR. Host und Lehrer Bob Blume wollte mit mir unter Anderem über Elternmitwirkung, Elterntaxis und Bildungsgerechtigkeit sprechen. Die Episode erscheint am 20.10 (Montag) und ich hab mich gefreut, dabei gewesen zu sein (Link).

Vermutlich lässt mir diese Gremienfreie Zeit auch etwas Luft, um die mittlerweile fünf auf dem „Stapel“ wartenden Podcastepisoden fertigzustellen. Ich hatte eine Redaktionsplanung und dann kam der diesjährige Schuljahresbeginn.

Passen Sie auf sich auf und tun Sie jemandem was Gutes, wenn Sie die Kraft dafür haben.

Marco Fechner

Widerspruch gegen Kürzungen im Berliner Bildungshaushalt

Zum Abschluss noch ein kleiner Pressespiegel

“Änderungsantrag der Koalition zum Haushaltsentwurf: Berlin spart bei Frauen, Kindern und der Demokratie.” – 13.10.2025 – Die Berliner Regierungsfraktionen (CDU/SPD) planen im Haushalt 2026/27 gravierende Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich. So sollen u.a. die Serviceagentur „Ganztag“ und die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung komplett gestrichen werden; das Begleitprogramm für Quereinsteiger im Ganztag wird um über 90% gekürzt. Auch Projekte zur Sprachförderung und Demokratiebildung fallen den Sparplänen zum Opfer.

“Wie Bildungssenatorin Günther-Wünsch (CDU) die ‘Stadtbild’-Aussagen des Bundeskanzlers kommentiert.” – 16.10.2025 – Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sorgte mit seiner „Stadtbild“-Aussage für breite Empörung. Auf Nachfrage wollte Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch diese Äußerung nicht bewerten; ihr Sprecher erklärte lediglich, man kommentiere grundsätzlich keine politischen Aussagen Dritter. Statt Position zu beziehen, verlangte die Senatsverwaltung zunächst statistische Nachweise für eine “Zunahme rechtsextremer Vorfälle”, bevor man weiter auf die Problematik eingehen könne.

“Zahlen der Jugendverwaltung: Dutzende Berliner Kitas wegen Geburtenknick aufgelöst” – 13.10.2025 – Der Rückgang der Geburten in der Hauptstadt hinterlässt erste Spuren: In den vergangenen drei Jahren haben Dutzende Kitas aufgegeben, auch die Berliner Kita-Eigenbetriebe sind betroffen.

“Alle Infos zur Anmeldung 2026: Das sind die begehrtesten Berliner Oberschulen – Bezirk für Bezirk” – 14.10.2025 – Eltern dürfen in Berlin drei Wunsch-Oberschulen angeben, doch die Chance, dass kein Platz an einer der gewünschten Schulen klappt, ist groß. Für eine erfolgreiche Schulwahl lohnt ein Blick auf die Daten der Vorjahre: Der Beitrag listet die gefragtesten weiterführenden Schulen in jedem Bezirk und gibt strategische Tipps für die Anmeldung.

“Millionenkürzung bei Praxisklassen: Berliner Schulen verlieren Angebote für abschlussgefährdete Jugendliche” – 16.10.2025 – Rund jeder dritte Platz im Praxislernen an Berliner Schulen fällt dem Spardruck zum Opfer. Die Linkspartei warnt, dass infolge dieser Kürzungen die Zahl der Schulabbrecher steigen könnte, da wichtige Unterstützungsangebote für gefährdete Schüler wegfallen.

“580 neue Wohnungen: Grünes Licht für Wohnquartier in Lichtenberg” – 14.10.2025 – Im Lichtenberger Ortsteil Fennpfuhl hat der Senat den Bebauungsplan für ein großes neues Wohnquartier beschlossen. Dort sollen rund 580 Wohnungen sowie eine neue Grundschule mit Sporthalle und Großspielfeld entstehen, um dem wachsenden Bedarf an Wohnraum und Schulplätzen gerecht zu werden.

“Bildungsgerechtigkeit in Berlin: Großes Stühlerücken” – 15.10.2025 – Wegen Sparvorgaben soll der Bezirk Neukölln Klassenräume in Grundschulen anderweitig nutzen und Schulplätze abbauen. Lehrkräfte und Eltern laufen dagegen Sturm: Sie fordern genügend Raum und Ressourcen für gute Bildung, gerade auch in sozialen Brennpunkten, und warnen, dass Kürzungen die Bildungsungerechtigkeit am Stadtrand weiter verschärfen.

 

Pressemitteilungen

“Früh übt sich: Kita-Ernährungsbildung als Schlüssel gegen Lebensmittelverschwendung” – 29.09.2025 – Anlässlich des Internationalen Tages der Bewusstmachung von Lebensmittelverschwendung betont der Berliner Kitaverband VKMK die Bedeutung früher Ernährungsbildung in Kitas. Kinder sollen spielerisch lernen, achtsam mit Lebensmitteln umzugehen, um Verschwendung vorzubeugen und nachhaltiges Verhalten zu entwickeln.

“Offener Brief der Berliner Wirtschaft an die Abgeordneten zur geplanten Ausbildungsumlage: Vorhaben schadet dem Wirtschaftsstandort!” – 12.10.2025 – In einem offenen Brief appelliert ein breites Bündnis der Berliner Wirtschaft an das Abgeordnetenhaus, die Einführung einer Ausbildungsplatzumlage zu stoppen. Das neue Gesetz würde Unternehmen in schwierigem Fahrwasser zusätzlich belasten und enormen Bürokratieaufwand verursachen, ohne tatsächlich neue Ausbildungsplätze zu schaffen, warnen Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer sowie die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg.

“Jugendpresse und Senat starten Aufruf zum Berliner Schülerzeitungswettbewerb 2025 (SenBJF)” – 08.10.2025 – Die Jugendpresse Berlin-Brandenburg lädt auch in diesem Jahr alle Schülerzeitungs-Redaktionen der Hauptstadt ein, ihre Zeitungen beim Berliner Schülerzeitungswettbewerb einzureichen. Ausgezeichnet werden die besten Schülerzeitungen jeder Schulform. Eine Jury aus Journalist*innen sowie Vertreter*innen verschiedener Bildungsinitiativen bewertet jeweils eine Ausgabe pro Schule – jetzt läuft die Anmeldephase.

“GEW Berlin und Landesschülerausschuss warnen: Kürzungen im Bildungshaushalt gefährden Zukunft” – 16.10.2025 – Angesichts der 2. Lesung des Bildungshaushalts schlagen die GEW BERLIN und der Landesschülerausschuss Alarm. Bei steigenden Schülerzahlen, wachsenden Anforderungen im Schulalltag und akutem Fachkräftemangel sei jeder gekürzte Euro ein direkter Angriff auf Bildungsqualität und Chancengleichheit, so GEW-Landeschef Gökhan Akgün. Die geplanten Einsparungen – von Schulsozialarbeit über Ganztagsangebote bis zur Demokratiebildung – würden etablierte Unterstützungsstrukturen zerstören. GEW und LSA fordern den Senat auf, die Kürzungen zurückzunehmen und stattdessen verlässlich in gute Bildung für alle zu investieren, um die Zukunft der Stadt nicht zu verspielen.