Ein Kommentar.

Es gibt nicht viele potentielle Gründe, die vorgestern von mir auf diesem Blog ausgerufene Sommerpause zu unterbrechen, aber gleich mehrere Meldungen des „Tagesspiegel“ von gestern gehören dazu. Wieder einmal kam ein Kind im Straßenverkehr zu Tode und wieder einmal lag es am überhöhten Tempo eines Autofahrers.

Ebenfalls gestern wurde gemeldet, dass die Verkehrsverwaltung plant, die Geschwindigkeitsbegrenzungen auch vor etlichen Kitas von Tempo 30 auf Tempo 50 anzuheben. Die Begründung der Sprecherin von Verkehrssenatorin Bonde (CDU) ist so abenteuerlich, wie angesichts der Gleichzeitigkeit beider Ereignisse zyisch, auch, wenn man berücksichtigt, dass das getötete Kind in Begleitung seiner Mutter unterwegs war:

„In die Kita gehen die Kinder nicht allein. Die Eltern sind verpflichtet, sie dorthin zu bringen. Ein Schulweg ist etwas Anderes.“

Die CDU-Fraktion im Abgerdnetenhaus distanzierte sich einschränkend mit „Alle Hauptstraßen, wo es keine Schulen, Kitas oder sonstige gefährdete Gruppen gibt, erhalten wieder Tempo 50“ (Dirk Stettner, CDU-Fraktionsvorsitzender), aber die Prämisse bleibt gleich: Vorfahrt für Autos. Kinder gelten offenbar allenfalls in Straßen mit Schulen und Kitas als „gefährdete Gruppe“.

Lieber verpflichtet man Eltern, ihre Kinder von A nach B zu bringen, als Autofahrer zur Rücksichtnahme und zur Fahrtauglichkeitsprüfung, oder gar die eigene Verkehrspolitik zu Entscheidungen, die die Sicherheit von Kindern in den Blick nehmen.

Diese Verkehrspolitik ist ein Debakel mit immer wieder tödlichem Ausgang und immer wieder sind es Autofahrer:innen, die entweder ihre eigene Fahrtüchtigkeit überschätzen, oder die Straße schlichtweg als Rennstrecke betrachten. Kinder haben auch außerhalb von Straßen mit Schulen und Kitas einen Anspruch auf sichere Verkehrsteilnahme. Eigentlich. Aber halt nicht in Berlin.

Hierzu passt auch eine weitere Meldung von gestern: nachdem Verkehrssenatorin Bonde in ihrer kurzen bisherigen Amtszeit gleich mehrere Staatssekretärinnen durch freiwillige Weggänge abhanden gekommen sind, macht sie nun einen früheren Sprecher des Verbands der Automobilindustrie zum neuen Umweltstaatssekretär. Auch in der Umweltpolitik gilt offenbar ein Vorrang für Autos.

Währenddessen befinden sich die S-Bahn und die BVG in Dauerkrisen, auf die Senatorin Bonde keine Antwort hat, während sie gleichzeitig öffentlich von einer Magnetschwebebahn schwärmt. Politik mit dem Kopf im Himmel, mit den Füßen im Matsch. Während immer wieder Menschen ums Leben kommen.

Diese Verkehrspolitik ist nicht die „unideologische Politik, die alle in den Blick nimmt“, von der der Regierende Bürgermeister immer wieder spricht, sondern exakt das Gegenteil. Diese Verkehrspolitik gefährdet insbesondere Kinder und Jugendliche, aber auch Senior:innen und sämtliche anderen Verkehrsteilnehmenden und führt immer wieder zu Toten und Schwerverletzten.

Die Verkehrssenatorin trägt hierfür die politische Verantwortung. Und nicht erst ihre jüngsten Entscheidungen zeigen, dass sie dieser Verantwortung im Ergebnis nicht gerecht wird.